Die Feuerbraut
Gespensterseherei wird dein Vater dir die Leviten lesen! Ich suche inzwischen die anderen Frauen.« Fabian versetzte Irmela einen heftigen Stoß, der sie in Richtung des Wagenzugs treiben sollte.
Sie blieb jedoch stehen, als wären ihre Füße mit dem Waldboden verwachsen. »Hörst du es denn nicht? Die Schweden haben den Wagenzug erreicht!«
»Unsinn!« Fabian holte aus, um sie erneut zu ohrfeigen, hielt aber mitten in der Bewegung inne. Nun vernahm auch er das Klirren von Waffen und Schreie, die ihm schier das Blut in den Adern stocken ließen.
»Das ist wirklich der Feind! Ich muss zurück und Vater helfen!«, schrie er auf und rannte los.
Irmela setzte den kleinen Siegmar ab, sprang Fabian nach und verkrallte sich mit aller Kraft im Stoff seines Rockes. »Da darfst du nicht hin. Sie würden dich umbringen!«
Fabian dachte an seine Eltern, die in Gefahr waren, und wollte sich losreißen, doch Irmela hing wie eine Klette an ihm. Nun schlug er zum zweiten Mal zu, diesmal so heftig, dass die Lippen des Mädchens aufplatzten und Blut über ihr Kinn tropfte.
In dem Augenblick tauchte Meinarda von Teglenburg neben ihnen auf. Die Freiin riss ihren Sohn an sich, der sich mit tapsigen Schritten entfernt hatte, und trat am ganzen Körper zitternd auf Fabian und Irmela zu.
»Bei der Heiligen Mutter im Himmel, es sind wirklich die Schweden! Kind, wie hast du das wissen können?«
»Das haben ihr ihre Hexenkräfte gesagt«, erwiderte Johanna, die hinter Meinarda auftauchte. Ihr folgten einige der anderen Frauen, die weinende Kinder mit sich zerrten.
Irmela achtete nicht auf die boshaften Worte ihrer Verwandten, sondern wandte sich an die Freiin. »Helft mir bitte! Fabian will unbedingt zurück zu den Wagen, aber dort werden die Ungeheuer ihn erschlagen.«
Im gleichen Augenblick erscholl der Todesschrei eines Mannes. Die Frauen zuckten zusammen und starrten mit auf die Lippen gepressten Handrücken in jene Richtung, aus der die Geräusche des Überfalls nun alles andere übertönten. Meinarda schüttelte ihre Erstarrung schnell wieder ab und sah Fabian vorwurfsvoll an. »Bleib hier! Wenn du wegläufst, haben wir niemand mehr, der uns beschützt. Gebe Gott, dass auch noch andere fliehen konnten! Die Männer haben doch ihre Pferde.«
»Vater und die anderen werden wohl kaum fliehen, solange noch Frauen und Kinder bei den Wagen sind.« Fabians Stimme klangwie zerbrechendes Glas. Er riss sich los und lief ein paar Schritte in die Richtung, aus der nun schier unmenschliche Laute zu hören waren. »Ich muss nach meinen Eltern sehen und ihnen beistehen!«
»Wenn du das tust, bringst du die Schweden auf unsere Spur! Sollen deinetwegen alle sterben?«, schrie Meinarda ihn an. Dabei krümmte sie sich wie unter starken Schmerzen und schlug die Hände vors Gesicht. Es war die Angst um ihren Gemahl, die sie so leiden ließ. Czontass war kein Soldat, und nur eine rasche Flucht hätte ihn retten können. Zwar wünschte sie sich, er wäre davongeritten, aber sie wusste, dass sein Stolz es ihm verbot, seine Freunde im Stich zu lassen. Auch sie wäre am liebsten zum Wagenzug zurückgelaufen, doch die Verantwortung für ihren Sohn hielt sie zurück.
Das Kreischen und Flehen der beim Wagenzug zurückgebliebenen Frauen verriet, was ihnen allen bevorstand, wenn die Schweden sie entdeckten, und die Geflohenen sammelten sich um Fabian, als suchten sie seinen Schutz. Dem jungen Mann wurde klar, dass das Schicksal ihm die Verantwortung für eine Gruppe völlig verängstigter Frauen aufgezwungen hatte und er nicht kopflos handeln durfte. Gerade erschienen weitere Frauen, die Kinder auf den Armen trugen und den Stimmen auf der Lichtung gefolgt waren. Von jenen aber, die Irmelas Warnung nicht sofort ernst genommen hatten, tauchte niemand auf.
Irmela stand regungslos horchend da und schien gar nicht zu bemerken, dass ihr das Blut von der aufgeplatzten Lippe über Kinn und Hals lief und den weißen Kragen ihres Kleides rot färbte. Wie in einem Alptraum wandelnd wies sie auf ein dichtes Unterholz, das noch weiter von der Straße entfernt war.
»Wir sollen uns dort drüben verbergen. Wenn wir hier stehen bleiben, könnten schwedische Späher uns doch noch finden. Und seid still! Ich höre Holz knacken.«
Meinarda nickte heftig und forderte die anderen mit energischen Gesten auf, sich zu verstecken. Die Frauen rafften ihre Kinder an sich und verschwanden so rasch in dem Gebüsch, als wären die Schweden bereits hinter ihnen her. Fabian jedoch
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