Die Feuerbraut
blieb regungslos stehen und lauschte weiterhin den Kampfgeräuschen. Kurz entschlossen kehrte Irmela noch einmal um und packte ihn am Ärmel. Er blickte sie an, als sähe er sie zum ersten Mal, und kam widerstandslos mit ihr. Seine Miene verriet, dass er mit seinem Stolz kämpfte, der ihn der Feigheit zieh, weil er davonschlich, statt den Schweden mit blanker Klinge zu begegnen.
Mit einem missglückten Lächeln sah er auf Irmela hinab. »Es tut mir leid, dass ich dich geschlagen habe!«
Sie zuckte mit den Achseln. »Du hast mir früher noch schlimmere Stöße versetzt.«
Er wollte protestieren, denn er hatte ihr nie ein blaues Auge oder eine blutende Lippe beigebracht. Zwar hatte er sie oft als lästiges Anhängsel empfunden, wenn sie ihm wie ein stummer Schatten durch Feld und Wald gefolgt war, aber sie hatte sich stets als geduldige Zuhörerin erwiesen, und er war nur handgreiflich geworden, wenn sie beim Angeln mit den Füßen im Wasser geplanscht und die Fische vertrieben hatte.
Nun wand er sich innerlich vor Scham. Während sein Vater und die anderen Männer einen verzweifelten Kampf gegen die Schweden ausfochten, hatte er seinen Heldenmut dadurch bewiesen, indem er ein Mädchen schlug, das mehr als ein Kopf kleiner war und trotz seiner siebzehn Jahre noch wie eine Zwölfj ährige aussah.
Er folgte Irmela zwischen Büsche, die so dicht wuchsen, dass er neben Johanna stehen blieb, ohne diese zu bemerken. Erst als Irmelas Tante einen leisen Ruf ausstieß, entdeckte er sie.
»Was mag mit unseren Freunden geschehen sein?«, fragte sie, da die Geräusche allmählich verebbten.
Fabian breitete hilflos die Hände aus. »Wir dürfen erst zurückkehren, wenn wir sicher sein können, dass die Schweden abgerückt sind. Dann werden wir feststellen, wer von unseren Verwandten und Freunden hat fliehen können.«
»Was ist mit meinem Mann und meinem Jungen?« Anna Reitmayr, die gleich zwei Kinder auf den Armen trug, sah Fabian verzweifelt an.
In dem Moment wünschte der junge Mann sich an jeden anderen Ort der Welt, selbst in die wüsteste Schlacht, denn die verstörten Blicke der Frau und ihrer beiden Töchter taten ihm körperlich weh. Um sich von seinem eigenen Elend abzulenken, überlegte er, wen er auf der Lichtung gesehen hatte und um sich sammeln musste. Von den Damen von Stand fehlten Walburga Steglinger, Ehrentraud von Lexenthal, Frau von Haßloch und seine Mutter, und von den Mägden waren nur zwei von denen geflohen, die nicht zu Steglinger gehört und daher keine Bestrafung für ihr Weglaufen gefürchtet hatten. Kein einziger Mann war ihnen gefolgt, und der älteste Bub mochte vielleicht zehn Jahre zählen. Insgesamt waren es achtzehn Personen, jede so wehrlos wie ein neugeborenes Kitz und voller Panik.
Irmela, die direkt zu seinen Füßen kauerte, hatte den Kopf zur Seite gedreht, als lausche sie. Ihr spitzes, von dunklen Locken umrahmtes Gesicht mit den haselnussbraunen Augen erinnerte ihn an eine Maus, und selbst die Polster in ihrem hellblauen Kleid konnten nicht verbergen, dass sie für ihr Alter viel zu dünn war. Im Vergleich zu ihrer Tante Johanna und der wunderschönen Ehrentraud von Lexenthal wirkte sie völlig unscheinbar, aber dennoch würde es ihr nicht an Freiern mangeln. Sein eigener Vater hatte bereits Andeutungen gemacht, er würde Irmela von Hochberg als Schwiegertochter begrüßen. Im Gegensatz zu Fabians Familie, die nur dieses eine Gut besaß, verfügten die Hochbergs über mehrere Landsitze und große Liegenschaften. Dazuhatte Irmela von ihrer Mutter auch noch die Burg und die Herrschaft Karlstein geerbt und durfte sich mit Fug und Recht Komtesse Hochberg und Herrin zu Karlstein nennen.
»Es ist so still geworden!« Freiin Meinardas Ausspruch holte Fabian in die Wirklichkeit zurück, und er machte sich Vorwürfe, weil er sich mit solchem Unsinn beschäftigt hatte, während wenige hundert Schritt entfernt der Tod seine schwarze Sense geschwungen hatte.
Johanna schob sich näher an ihn heran. »Meinst du, die Schweden wären fort?«
Irmela schüttelte den Kopf. »Die Kerle suchen immer noch den Waldrand ab! Hoffentlich dringen sie nicht bis zu uns vor.«
»Das möge die Heilige Jungfrau verhüten!« Meinarda von Teglenburg kniete trotz des beengten Raumes zwischen den Büschen nieder und stimmte ein Gebet an. Sie dämpfte ihre Stimme, doch einige andere Frauen fielen weitaus lauter in ihre Worte ein.
Fabian flehte sie leise, aber eindringlich an, ihre Stimmen zu senken. »Ihr ruft
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