Die Feuerinseln: Das Geheimnis von Askir 5 (German Edition)
gebracht. Sie bestand aus grauen Hosen mit einer goldenen Doppellinie an den Seiten und einer weißen, doppelt geknöpften Jacke mit hohem Kragen. Ein weißer Schwertgurt mit einem Paradedolch gehörte noch dazu. Auf dem linken Ärmel prangte ein frisch eingestickter goldener Stern, über dem waagerecht eine Lanze lag. Zu der Aufmachung gehörten noch weiße Handschuhe und ein weißes Kragentuch, das sorgfältig geknotet werden musste, damit es den Kragen richtig ausfüllte. Die Uniform hatte man irgendwo für genau solche Fälle an Bord gehabt, doch damit meine braunen Stiefel schwarz wurden, hatte der arme Schwertkadett sie die ganze Nacht poliert. Ich hatte mich freundlich bedankt, woraufhin der Junge fast zu weinen anfing und hastig seinen Abschied nahm. Ich hatte ihm verständnislos nachgesehen.
»Ist es falsch, sich zu bedanken?«, hatte ich Elgata gefragt, als sie hinter der Decke hervortrat, die ihre Koje von meiner Hängematte abtrennte.
Sie hatte den Kopf geschüttelt. »Er bat mich darum, das tun zu dürfen. Weil Ihr freundlich zu Marja gewesen seid und nach ihrem Namen gefragt habt. Und weil Ihr uns gerettet habt.«
Jetzt stand ich hier und trug die Uniform eines Lanzengenerals der Bullen, mit der kaiserlichen Zahl Zwei auf meinem rechten Ärmel. Die Blicke der geretteten Seeleute ruhten auf mir. Wie die anderen stand ich breitbeinig da, die Hände auf dem Rücken verschränkt, und sah starr geradeaus, während Elgata die Namen der Toten verlas. Wie lange war ich nun an Bord der Schneevogel ? Es musste der vierte Tag sein. Amos hatte ich kaum gekannt, Marja noch weniger, und doch wurde mir der Kragen eng, als Elgata ihre Namen vorlas.
In Paaren traten die Kameraden an ihre toten Freunde heran und hoben die Planken, bis die Toten ins Meer rutschten. Es waren Derkin und Mendell, die Amos’ Planke kippten. Wieder spielten Delphine um das Schiff, und allmählich begann auch ich an die Legenden zu glauben.
Ich hatte schon an zu vielen Bestattungen teilgenommen. Diese beeindruckte mich auf seltsame Weise. Es war eine schlichte Feier, nicht einmal Trommeln geleiteten die Toten in die Tiefe. Auch auf der Lanteras Glaube waren die Seeschlangen angetreten, und sie wirkten nicht weniger betroffen. Sie waren eine eingeschworene Gemeinschaft, die von ihren Toten Abschied nahm und davon nicht gebrochen wurde, sondern in den einfachen Worten des Lanzenkapitäns Stärke und Zuversicht fand.
»Das habt Ihr gut gemacht«, sagte ich zu Elgata, als sie zurücktrat und das Buch zuklappte, und erinnerte mich an Varoschs Worte auf der Lanze .
»Meint Ihr?«, sagte sie leise. »Mir scheint es nie genug.«
»Vielleicht begegnet Euch der eine oder andere von ihnen noch mal in Eurem Leben«, sagte ich und ertappte mich dabei, dass ich es ernst meinte. Es lag mehr als Trost in dem Gedanken, es war auch Hoffnung. Sie nickte bloß und atmete tief durch.
Mendell trat vor und gab neue Befehle. Die Reihen der Besatzung lösten sich auf, als sie sich wieder um das Schiff kümmerten. Nur wenig später blähten sich die Segel der Schneevogel , und sie nahm Kurs auf die Rückseite der Feuerinseln.
»Es ist der sichere und bessere Weg«, erklärte Elgata. »Ich hoffe, dass die Wyvern vor allem das Gebiet um den Hafen sichern. Ich will nicht von ihnen entdeckt werden. Wir fahren an den Inseln vorbei ins offene Meer, die meisten Piraten navigieren anhand der Küstenlinien. Sie verlieren ungern den Blick aufs Land.«
Das Mittagessen bestand aus eingelegten Eiern, Fisch und Kartoffeln in einer pampigen gelben Senfsoße. Elgata bemerkte meinen zweifelnden Blick, als ich auf den Teller schaute, und schmunzelte. »Ihr werdet Euch an solches Essen gewöhnen müssen«, sagte sie. »Wenn man bedenkt, dass wir nun schon gute sechs Wochen auf See sind, ist es fast schon eine Köstlichkeit.«
»Wenn wir Askir wie geplant in zwölf Tagen erreichen, habt Ihr Glück gehabt, General«, meinte Mendell mit einem freundlichen Grinsen. »Wenn wir noch länger auf See bleiben, müsstet auch Ihr Euch bald mit Schiffszwieback begnügen. Der ist so hart, dass die Legionen ihn schon als Katapultgeschosse verwendet haben.«
Da ich hungrig genug für Steingeschosse war, machte ich mich über mein Essen her. So schlecht war es nicht. Kelar war eine Hafenstadt gewesen, und ich hatte dort im Hafen alle möglichen wilden Geschichten über das Essen auf See gehört, von Fleisch, das von Maden nur so wimmelte, bis hin zu Schiffszwieback, den man mit dem Hammer
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