Die Feuerinseln: Das Geheimnis von Askir 5 (German Edition)
Ferne die Umrisse einer Schar Wyvern zu sehen, doch dann öffneten sich die Schleusen des Himmels. Es war, als ob jemand Eimer ausschütten würde. Seit Wochen war das der erste richtige Regen für mich. Ich hob dankbar mein Gesicht dem Himmel entgegen. Bei diesem Wetter würden uns die Wyvern schwerlich finden können.
20. Gerechtigkeit der See
Als die Sonne sich aus dem Meer erhob, warteten sechzehn Seelen darauf, durch Soltars Tor zu gehen, darunter auch die Frau, die unter der Säge gelegen hatte. Und Amos. Drei weitere lagen in den blutigen Kojen unter Deck, bei ihnen hatten es die Götter noch nicht entschieden.
Ich hatte in der Nacht wenig Schlaf gefunden, denn als ich müde die Kabine betrat, lag Elgata in ihrem Bett und weinte leise. Ich zog es vor, sie nicht zu stören, und zog die Tür wieder hinter mir zu. Ich verbrachte die Nacht im Bug, während die Schneevogel sich durch das Unwetter kämpfte. Manchmal schien es mir, als ragte der Bug des Schiffs über einen Abgrund, dann wieder bohrte er sich in eine Wand aus Wasser, die über mich hereinbrach. Es war seltsam, ich wusste nur, dass ich nichts weiter tun musste, als mich gut und sicher festzuhalten, es kam mir gar nicht der Gedanke, dass die Schneevogel versagen könnte.
Als der Morgen anbrach, war es, als ob das Unwetter nie gewesen wäre. Das Meer kräuselte sich bloß, und ein leichter Wind trieb uns voran.
Jetzt bei Licht waren die Schäden besser zu sehen, wie Pockennarben waren die Einschläge der Bolzen und Pfeile zurückgeblieben. Auf ihren Knien schrubbten Seeschlangen das Deck, bis die dunklen Stellen verblassten.
An einer Seite lagen die Säcke mit den Toten, ein weiterer wurde eben gerade auf Deck getragen. Das Schiff hatte nun einen neuen Ersten Maat, einen kleinen drahtigen Kerl mit einem skeptischen Grinsen, das ihm im Gesicht festgewachsen war. Als Elgata ihn das erste Mal bei seinem neuen Rang rief, sah ich mich nach Amos um. Aber es war Korporal Derkin, der herantrat und mich neugierig musterte.
»Also, Ihr seid der Kerl mit dem harten Schädel, von dem Amos sprach«, meinte er. Er hielt mir die Hand hin. »Ich bin Derkin.«
Ich erwiderte den festen Griff. »Roderic.«
Er nickte mir zu und trat neben Mendell, der mit einem Schreibbrett in der Hand an der Reling stand. Der Schwertleutnant hatte ebenfalls nicht geschlafen, man sah es ihm an. Elgata schaute mit zusammengekniffenen Augen übers Meer. In der Ferne waren die Feuerinseln näher gerückt.
»Wir müssten bald da sein«, sagte sie.
Sie behielt recht, es dauerte nicht lange, bis ein Ruf vom Ausguck kam. Etwas polterte gegen die Schiffswand, ich trat an die Reling und sah nach unten. Ein großes Stück Holz trieb dort, an einer Seite war es zerbrochen, an einer anderen Stelle verkohlt.
Immer dichter wurde das Trümmerfeld. Ein paar Seeschlangen deuteten grimmig auf ein hellblaues Stück Rumpfbeplankung, es musste zu einem der Piraten gehört haben, also hatten Esen und die anderen zumindest einen von ihnen mit ins nasse Grab genommen.
Langsam fuhr die Schneevogel durch das Trümmerfeld. Elgata hatte das Boot ausbringen lassen. Zehn Seeschlangen ruderten mit angestrengten Mienen, während andere mit langen Haken Körper aus dem Wasser fischten, Namen hoch zu Mendell riefen oder manchmal nur mit den Schultern zuckten. Oft waren es nur Trümmerteile, einmal löste ein Haken einen Mann, der sich auf ein treibendes Brett gerettet hatte, doch als er ins Wasser sank, zeigte sich, dass etwas ihm die Beine abgebissen hatte.
Es war ein Festmahl für die Fische, hier und da zogen mächtige dreieckige Flossen vorbei. Seeschlangen standen mit Armbrüsten bereit, Korporal Derkin schwenkte drohend die Balliste herum, aber die Raubfische – Steinhaie, wie Mendell mir tonlos erklärte – ignorierten das Boot, es gab genug anderes zu fressen.
Es ereignete sich aber auch ein Wunder, denn ein trillernder Pfiff machte uns auf einen Delphin aufmerksam, der aus dem Wasser sprang – nicht nur einen, wie sich zeigte, sondern ein ganzer Schwarm der klugen Tiere, die dort die Raubfische vertrieben. Sie kreisten um ein größeres Stück Rumpf, das etwas höher aus dem Wasser ragte, mehr als ein Dutzend Seeschlangen hatten sich dorthin gerettet. Nicht alle hatten die Nacht überstanden; als das Boot heran war, zeigte sich, dass ein paar von ihnen nur noch tot geborgen werden konnten.
Doch der Götter Gnade hatte elf Seeschlangen überleben lassen, ein Wunder, das manchem hartgesottenen
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