Die Feuerinseln: Das Geheimnis von Askir 5 (German Edition)
seine Familie und auch der Prinz fest daran glauben, dass die Königin Opfer einer Verschwörung wurde. Es ist vorstellbar, denn ich weiß mit Sicherheit, dass es mindestens ein Attentat auf sie gab, als sie zur letzten Kronratssitzung in Askir war. Es wurde nur knapp abgewendet. Das alles spielt mit hinein, wenn der Kapitän nicht gern in Aldar vor Anker geht.«
»Wie das?«
»Aldane ist stolz darauf, ein Königreich zu sein. Es herrscht dort noch immer ein altes System mit einem undurchschaubaren Geflecht aus Ehren- und Lehensbeziehungen. Ehre ist das höchste Gut eines Menschen, ohne Ehre ist er nichts. Ein Gefallen erzeugt einen anderen. Der Lehnsherr ist der Richter und ist wiederum nur seinem Lehnsherrn verpflichtet. Prinz Tamin ist ein absoluter Herrscher. Es gibt keinen Rat, der ihn einschränkt, sein Wort ist Gesetz, er selbst ist nur den Göttern verantwortlich.«
»Keinen Adels- oder Ständerat?«, fragte ich nach, und Mendell schüttelte den Kopf.
»Nein. Es ist nicht erwünscht. Die Götter gaben Aldane einen König, damit der herrscht. Das gilt auch für die Geschlechter. Die Götter haben entschieden, dass die Frau dem Mann untertan ist, und die Aldaner nehmen das sehr ernst.«
»Ihr wisst schon, dass das eine gewagte Interpretation der Schriften ist?«, fragte ich, und Mendell lachte.
»Das braucht Ihr mir nicht zu erzählen. Aber auch das Buch der Astarte sagt, dass die Frau dem Mann untertan sei. Darauf beruft man sich in Aldane.«
»Ja«, sagte ich. »Ich kenne die Stelle. Astarte rät den Frauen zu akzeptieren, dass der Mann stärker ist, wenn es um die Kraft des Körpers geht. Sie rät, sich nicht darin gegen ihn zu stellen, vielmehr fordert die Göttin die Frauen auf, den Mann dort zu ergänzen, wo er schwach ist, sodass die gemeinsame Stärke beiden Nutzen bringen möge.« Ich lächelte. »Es folgen dann zwei Seiten mit Ausnahmen, in denen geregelt ist, wann eine Frau dem Mann widersprechen und sich nicht fügen soll.«
»Bis zu dieser Stelle liest man in Aldane gar nicht erst«, meinte Mendell schmunzelnd. »Der erste Satz reicht ihnen.« Er wurde wieder ernst. »Demzufolge glauben viele Aldaner, dass die Reichsstadt dem Willen der Götter zuwiderhandelt, indem sie Frauen erlaubt, Posten zu beziehen, die von den Göttern für Männer vorgesehen sind. Frauen haben den Haushalt zu führen, die Kinder zu bekommen und sie gemäß den Schriften zu erziehen. Ganz gewiss sollten sie kein Schwert tragen oder gar ein Schiff befehligen. Als ich das letzte Mal in Aldar war, tobte gerade ein erbitterter Streit darüber, ob es Frauen erlaubt sein sollte, ein Pferd zu reiten.«
»Warum denn nicht?«
»Es könnte durchgehen und so weit weglaufen, dass der männliche Beschützer nicht mehr in der Nähe ist. Ihr müsst wissen, eine Frau darf ohne einen männlichen Beschützer das Haus nicht verlassen.«
»Ah«, meinte ich. Ich schmunzelte, als ich mir vorstellte, wie jemand Leandra oder gar Zokora den Gedanken an einen männlichen Beschützer erläuterte.
»Es gibt noch etwas, was man über Aldane wissen muss«, fügte Mendell säuerlich hinzu. »Jede Form der Magie wird dort der Nekromantie gleichgesetzt und mit dem Tod auf dem Scheiterhaufen geahndet. Aber nach königlichem Recht muss ein Angeklagter einem Priester vorgeführt werden. Wenn man Glück hat, geschieht das auch, aber wahrscheinlicher ist es, dass Ihr von einer aufgebrachten Menschenmenge auf einen schnell errichteten Scheiterhaufen gezerrt werdet. Vor allem auf dem Land ist dieser Fanatismus verbreitet, Ihr findet genügend Dörfer, wo auf dem Marktplatz dauerhaft ein Scheiterhaufen bereitsteht. Diese entlegenen Orte bieten einem fanatischen Kult, der Weißen Flamme, Unterschlupf und Rückhalt, einem Kult, der den Aberglauben und die tiefsten Ängste der einfachen Leute schürt. Er ist verboten, aber niemand kümmert sich darum. Es geht so weit, dass sogar manche ihre eigenen Kinder den Flammen übergeben.« Er betrachtete mich eingehend. »Eines sage ich Euch, General: Es ist in Aldane leichter, als Nekromant auf dem Scheiterhaufen eines Lichtbrands zu landen, als sich einen Schnupfen einzufangen.«
»Und das ist Askirs wichtigster Verbündeter?«, fragte ich zweifelnd.
»Ja, noch«, entgegnete Mendell seufzend. »Wenigstens solange der Prinz noch lebt. Aber der Kult stellt eine Gefahr dar, die alle sieben Reiche erschüttern könnte und sogar den Vertrag von Askir gefährdet.«
»Ihr malt ein düsteres Bild, Schwertleutnant. Ist
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