Die Feuerinseln: Das Geheimnis von Askir 5 (German Edition)
Sollte Marcus bis hierher gelangen, würde es nicht nur sein Ende bedeuten.
Serafine bewegte ihren Mund und deutete auf etwas. Zuerst verstand ich nicht, dann vollführte sie erneut wilde Gesten: Sie meinte das Baugerüst an der Vorderseite des Hauses. Wenn ich mich dort auf eine Planke legte, war ich von unten und von oben unsichtbar.
Ich eilte zurück zur Vorderseite, wagte einen schnellen Blick über den Rand und sah, dass der Priester in Richtung des herankommenden Wagens blickte, während unter mir einer der Soldaten der Ehrenwache im Haus verschwand. Ein anderer eilte schon zur Seite, wo die zerbrochene Planke mit lautem Poltern in der Gasse zwischen den Häusern aufgeschlagen war. Im Moment sah niemand zu mir hoch, also zögerte ich nicht länger, sondern zog mich über die Brüstung, kletterte etwas tiefer und warf mich der Länge nach auf eine der Planken des Gerüsts, so nah an der Wand wie möglich, sodass ich auch auf Deckung vom Schrein her hoffen konnte.
Ich hörte, wie die Falltür zum Dach zurückgeschlagen wurde und Marcus zum Dachrand eilte. Über mir knirschte das Gestell, als Marcus behände wie eine Katze auf das Gerüst sprang. Durch den Spalt zwischen der Planke und der Wand sah ich, wie lange Arme nach ihm griffen. Er versuchte noch zu springen, doch es war zu spät, strampelnd, bockend und fluchend wurde er zurück aufs Dach gerissen.
»Wir haben ihn!«, rief jemand über mir. »Was ist mit dem Krach in der Gasse?«
»Ein morsches Brett, das vom Dach fiel«, rief ein anderer zurück. »Dieses Gemäuer ist baufällig, ihr solltet sehen, dass ihr herunterkommt, bevor es unter euren Füßen einbricht!«
»Gleich, sobald der hier endlich still ist«, rief über mir jemand, dann hörte ich einen harten Schlag, und Marcus stöhnte. »So, der macht uns keinen Ärger mehr«, meinte der eine. Dann hörte ich, wie sie Marcus wieder zur Falltür brachten und mit ihm im Innern des Hauses die hölzerne Stiege hinabpolterten.
Sie hatten mich nicht entdeckt. Lautlos dankte ich den Göttern und blieb still liegen, denn noch war die Gefahr nicht vorüber.
Marcus war aber noch nicht geschlagen, denn der eine Soldat fluchte erneut, kaum dass er unter mir durch die Tür gekommen war. »Der Dreckskerl hat mich gebissen!«, beschwerte er sich lauthals, dann: »Du kommst mir nicht davon!«
Im nächsten Moment wurde das Gerüst erschüttert, als sich Marcus in seiner Verzweiflung gegen eine der Latten warf. Diese löste sich und kippte seitlich weg, hinter mir knirschte es, als ein Haken sich aus dem alten Mauerwerk löste … Dann brach das gesamte Gerüst unter mir zusammen und kippte zugleich nach vorn, bevor ich mich irgendwo festhalten konnte.
Der Aufprall war hart, und zu allem Überdruss schlugen mir noch alte Latten und Bohlen ins Kreuz und auf den Schädel. Einen Moment war ich so benommen, dass ich mich kaum aufrichten konnte.
»Hier ist noch einer!«, rief der Hauptmann der Ehrenwache.
»Ergreift ihn!«
»Fasst ihn nicht an«, befahl eine mir nur allzu bekannte Stimme. Eine schlanke Hand zog ein Brett von mir und half mir, mich von den Resten des Gerüsts zu befreien.
Ungläubig sah ich zu dem vertrauten Gesicht auf, das mich mit einem strahlenden Lächeln begrüßte.
»Was tust du denn hier, Havald?«, fragte mich Leandra erfreut, während sie half, mich aufzurichten. »Ich wusste gar nicht, dass wir dich bereits gefunden haben! Hat dich Celan auch geladen, der Opferung beizuwohnen?«
»Nicht direkt«, meinte Fürst Celan, der nun neben sie trat und mich mit einem harten Lächeln begrüßte. »Aber wir haben ihn erwartet.« Sein Blick bohrte sich in meinen. »Fürstin, seid versichert, Ihr seid nicht die Einzige, die sich sehnlich wünscht, diesem Ser wiederzubegegnen. Auch ich schulde ihm viel.« Er berührte unauffällig seinen Hals, an dem eine feurig rote Narbe zu sehen war. Das nächste Mal, schwor ich mir, würde mich auch ein Heer von Dämonen nicht davon abhalten können, ihm den Kopf abzuschneiden.
»Gut«, sagte Leandra und warf sich mir in die Arme, um mich atemlos zu küssen. Sie löste sich von mir und schenkte dem Fürsten ein erfreutes Lächeln. »Ich sagte Euch ja, er wird uns nützlich sein.«
»Daran hege ich nicht den geringsten Zweifel«, meinte Celan. Der Sturz hatte mich so benommen gemacht, dass ich erst jetzt so langsam verstand, dass Leandra nicht als Gefangene hier stand, sondern im Leder des Nekromantenkaisers gerüstet war. Wie Celans Rüstung war auch ihre
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