Die Feuerinseln: Das Geheimnis von Askir 5 (German Edition)
ihr seinen Körper überlassen würde.
Für den Fall, dass etwas Unvorhergesehenes geschehen würde, hatten wir ebenfalls vorgesorgt. Von den Gerüsten hatten wir uns Planken gestohlen, die von einem Dach zum nächsten führten, und so unseren Fluchtweg vorbereitet. Wurden wir verfolgt, konnten wir die Planken einfach hinunterstoßen und uns Zeit verschaffen.
Nun galt es abzuwarten, bis die Opferung vollzogen war, dann den Priester zu überwältigen und in den Keller zu bringen.
»Er wird nicht in Betracht ziehen, dass er gefährdet sein könnte«, hatte uns Zokora flüsternd erklärt. »Es ist unvorstellbar für ihn, dass es jemand wagen könnte, Hand an ihn zu legen. Er wird allein wieder gehen. Wir müssen ihn nur verfolgen und eine Gelegenheit abwarten. Jetzt in der Nacht wird es einfacher sein.«
»Was ist mit dem Opfer?«, hatte Serafine leise gefragt. »Es wird ein Mensch sein, nicht wahr?«
»Ja«, hatte Zokora schulterzuckend gemeint. »Aber er ist für uns nicht von Belang.« Bevor Serafine dazu hatte etwas sagen können, sprach sie weiter. »Bedenke, wer es sein wird. Ein Pirat oder ein Soldat des Feindes, der sich eines Vergehens schuldig gemacht hat. Jemand, den auch wir lieber tot sehen würden. Was dort unten geschieht, darf uns nicht berühren. Unser Ziel ist der Priester, nur er kann uns zu Leandra führen.«
Als sie das vorhin gesagt hatte, war es mir einleuchtend erschienen. Aber ich hatte nicht damit gerechnet, dass ich das Opfer kennen würde. Wenn man von Kennen sprechen konnte, denn es war niemand anders als der Blutige Marcus, der hier strampelnd aus dem Gitterwagen gezerrt wurde. Noch immer trug er seine edlen Kleider, nur waren sie jetzt besudelt und zerrissen, das Mondlicht offenbarte deutlich, wie schlecht es dem Piratenkapitän ergangen war.
Aus irgendeinem Grund war ich überrascht, ihn hier so zu sehen, ich hätte vor allen Göttern schwören können, dass er schlau genug gewesen wäre, nicht in eine solche Klemme zu geraten. Auf jeden Fall schien er auch jetzt nicht geneigt, sich kampflos opfern zu lassen. Obwohl er nicht sehr kräftig gebaut war, gelang es ihm dennoch, sich beinahe von den Soldaten loszureißen.
Es half ihm nichts, er wurde auf die Knie gedrückt und dort gehalten, während sich eine schlanke Gestalt aus dem Schatten löste: der Priester, auf den wir gewartet hatten. Er kam näher, wechselte ein paar Worte mit dem Hauptmann der Ehrenwache, musterte kurz das Opfer, um dann zu den Sternen aufzusehen. Dann blickte er das Hafenrund entlang, als ob er auf etwas warten würde.
Der Priester gehörte zu Zokoras Volk, wir wussten, wie gut seine Nachtsicht war, also blieben wir in Deckung und riskierten nur dann und wann einen Blick.
»Er wartet auf jemanden«, flüsterte Serafine.
»Den Ehrengast«, erklärte Zokora fast unhörbar. »Dort hinten kommt ein weiterer Wagen mit einer Eskorte. Es scheint, als ob der Fürst uns beehrt. Wahrscheinlich will er der Opferung beiwohnen.«
Das war ärgerlich, denn es waren zu viele Soldaten hier, um den Versuch zu unternehmen, Celan hier und jetzt ein Ende zu bereiten. Nicht zum ersten Mal wünschte ich mir, ich hätte Seelenreißer noch, dann hätte ich nicht gezögert. Ich war mir sicher, dass Celan uns verraten konnte, wo sich Leandra befand. Ich hätte ihn auch nachdrücklich genug gefragt.
Im nächsten Moment hörte ich von den Soldaten lautes Fluchen. Ein schneller Blick zeigte mir, dass es Marcus irgendwie geschafft hatte, sich doch noch aus den Händen der Soldaten loszureißen. Nicht nur das, mit auf dem Rücken gefesselten Händen rannte er wie ein Hase hakenschlagend ausgerechnet auf das Haus zu, auf dessen Dach wir lagen. Der Soldat bellte einen Befehl, der Priester fuhr herum und rief etwas in der Sprache der Elfen.
»Schnell!«, zischte Zokora. »Wir müssen auf das andere Dach!« Wir sprangen auf und eilten geduckt zu der Planke, die dieses Haus mit dem nächsten verband. Zokora lief zuerst hinüber, leichtfüßig wie eine Katze, ihr folgte Serafine, Angus hastete hinterher. Ich wollte gerade den Fuß auf die Planke setzen, als sie unter Angus’ Gewicht in der Mitte durchbrach. Nur mit Mühe gelang es dem Varländer, sich nach vorn zu werfen und knapp den Rand des anderen Dachs mit seinen Fingerspitzen zu erreichen. Beherzt griffen Zokora und Serafine zu und zogen den Hünen über die Kante.
Nur ich blieb auf dem falschen Dach zurück.
Hastig schaute ich mich um, hier auf dem Dach gab es keine Deckung.
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