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Die Feuerkämpferin 01 - Im Bann der Wächter

Titel: Die Feuerkämpferin 01 - Im Bann der Wächter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Licia Troisi
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sich nun, nicht nur die Dinge auf Augenhöhe zu ertasten, sondern auch alles, was unter- und oberhalb davon war. Es dauerte eine Weile, aber irgendwann hatte sie eine recht genaue Vorstellung von dem Ort, an dem sie sich befand. Gefallen war sie auf eine Art niedrigen Tisch mit verschieden großen Stoffballen darauf. Weitere Ballen waren entlang der Wände auf hohen Holzgestellen gestapelt. Als sie an ihrer ausgestreckten Hand den kalten Stein einer Mauer spürte, lächelte sie. Der Mauer folgte sie, bis sie Holz ertastete. Eine Tür.
    Sie hielt einen Moment inne und überlegte. Hier drinnen war sie geschützt und hatte ein Dach über dem Kopf. Vielleicht wäre es ratsam gewesen, sich gleich hier schlafen zu legen und sich, sobald die Sonne aufging, wieder auf den Weg zu machen. Andererseits wirkte dieser Ort nicht sehr verlassen. All diese Dinge, die hier gelagert waren, die vielen Stoffe, ließen darauf schließen, dass der Raum ständig genutzt wurde. Nein, es war besser, sich etwas anderes, Abgelegeneres zu suchen.
    Weiter tastend fand sie die Klinke und drückte sie hinunter. Nichts rührte sich. Noch einmal versuchte sie es, nichts, nur das Kratzen des metallenen Hebels, der im Leeren drehte. Ein panischer Schrecken fuhr ihr in die Glieder. Jetzt saß sie fest. Sie lehnte sich zurück an das Holz und versuchte, sich zu beruhigen. Da kam ihr eine Idee. Was sie brauchte, war ein spitzes Werkzeug. Wieder stahl sich ein
Lächeln in ihr Gesicht: Ihr guter Freund war wieder da, ihr Instinkt, der sie auch jetzt nicht im Stich ließ.
    Zunächst probierte sie es mit dem Dolch. Sie zog ihn aus dem Futteral und versuchte, die Spitze ins Schloss einzuführen. Sie war zu breit. Nein, etwas Schmaleres musste es sein. Sie begann herumzukramen. Unter all den Stoffen musste doch irgendwo etwas Spitzes zu finden sein. Und in der Tat, als sie weitersuchte, stach ihr plötzlich etwas in den Finger. Unwillkürlich führte sie ihn zum Mund und lutschte daran. Es schmeckte nach Blut. Sie ließ sich nicht entmutigen, tastete, vorsichtiger nun, weiter und fand die Nadel. Behutsam zog sie sie aus dem Stoff.
    Vielleicht ein bisschen kurz , überlegte sie, während sie mit dem Finger an dem Metall entlangfuhr.
    Aber das bekommst du schon hin , antwortete ihr die innere Stimme.
    Sie kehrte zur Tür zurück und steckte die Nadel ins Schloss. In der Tat war sie ein wenig kurz, aber das störte das Mädchen nicht. Sie griff die Nadel am äußersten Ende mit den Fingerspitzen und drehte sie geschickt im Schloss hin und her. Sie staunte selbst, wie sie das machte, beobachtete sich von außen, so als wären diese Bewegungen nicht ihre eigenen und ein anderer führe ihr die Hand.
    Mit einem sanften Schnappen sprang die Tür auf und ließ einen Lichtstrahl herein, der ihr blendend hell vorkam.
    Wo habe ich das nur gelernt? War das vielleicht Teil meines früheren Lebens ?
    Ihre Gelenkigkeit, die Striemen an den Hand- und Fußgelenken und nun diese Fingerfertigkeit. All das waren Hinweise, die zu einem eindeutigen Schluss führen mussten, einem Schluss allerdings, der ihr noch völlig unbekannt war. Diese Tatsachen wollten ihr etwas sagen, doch ihr fehlte der Schlüssel, um die Zeichen zu deuten und das Rätsel ihrer Herkunft zu lösen.
    So gab sie sich damit zufrieden, dass die Tür nun offen
war. Sie blickte hinaus in einen langen, von einigen Fackeln erhellten Flur mit einigen breiten Fensteröffnungen. Das musste die Innenseite des Turmes sein.
    Sie trat hinaus und schaute sich verstohlen um. Niemand war zu sehen. Sie schloss die Tür hinter sich und ging neugierig zu einem der großen Fenster. Es öffnete sich auf einen weitläufigen, von Mauern eingefassten Garten. Gut die Hälfte wurde von Ziersträuchern eingenommen, die fein säuberlich gezogene Gartenwege säumten und auf seltsam unnatürliche Art beschnitten waren, während die andere Seite als Nutzgarten mit verschiedensten üppig gedeihenden Fruchtund Gemüsesorten angelegt war. Viele ihr bekannt vorkommende Obstbäume machte sie aus, an deren Namen sie sich aber nicht erinnerte, sowie lange Reihen niedriger Pflanzen mit mehr oder weniger breiten Blättern. Erst jetzt hob sie den Blick, und was sie sah, verschlug ihr den Atem. Die Mauern, die diesen Garten umschlossen, reichten fast bis in den Himmel, von dem sie nur einen runden, von einem strahlenden Vollmond erhellten Ausschnitt entdeckte. Durch große Spiegel, die an den Mauern angebracht waren, gelangte das Licht jedoch bis zum

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