Die Feuerkämpferin 01 - Im Bann der Wächter
andere ließ ihn die Fackel halten und entfernte nun mit einem weißen Tuch das, was von der rötlichen, fettigen Schicht übriggeblieben war. Zum Vorschein kam ein blasses,
schwer gezeichnetes Gesicht, das mit furchterregenden schwarzen Flecken übersät war. Dann entnahm er seinem Quersack einen Tiegel, der eine rötliche Creme enthielt. Die verteilte er nun wieder auf dem Gesicht seines Kumpans, übertünchte so die schwarzen Flecken und täuschte eine kräftige Gesichtsfarbe vor. Währenddessen redete er immer weiter, nun aber leiser als zuvor, so dass das Mädchen, dem das Herz heftig schlug, nichts mehr verstehen konnte. Es war ihr überhaupt völlig rätselhaft, was da vor sich ging, aber es machte ihr Angst. Die ganze Szene strahlte etwas Unheimliches aus, vor allem diese schwarzen Flecken im Gesicht des kranken Mannes, die sie als eine Art düstere Vorahnung wahrnahm.
Schließlich holte der Gesunde noch ein Fläschchen mit einer bernsteinfarbenen Flüssigkeit hervor und hielt sie dem Gefährten an die Lippen.
Der widersetzte sich, indem er den Kopf zur Seite drehte. »Nein … schlecht …«
Doch der andere ließ sich nicht beirren und zwang ihn, aus dem Fläschchen zu trinken.
Als es leer war, schaute er sich um. Und augenblicklich presste sich das Mädchen noch flacher an die Wand. Was sollte sie bloß tun, wenn sie hereinkämen und sie entdeckten? Was würden sie mit ihr anstellen?
Von Furcht ergriffen, zog sie den Dolch. Da ließ das metallische Schaben, als die Klinge aus dem Futteral fuhr, die beiden Männer auffahren. Zunächst flutete das Licht der Fackel in den Raum ein, dann waren auch die Männer bei ihr.
Die Zeit schien stehen zu bleiben. Schulter an Schulter, der eine mit der flackernden Fackel in der Hand, verharrten die beiden auf der Schwelle, während sie ebenfalls wie erstarrt dastand, den Dolch erhoben, im Kopf völlig leer, ohne irgendeinen Gedanken. Dann brach der Bann: Das Mädchen reckte die Waffe vor, doch schon packte einer der Männer ihr Handgelenk und drehte es um, so dass der Dolch klirrend zu Boden fiel.
Wie dumm, wie dumm, wie dumm! , schimpfte ihre innere Stimme heftig. Du musst schneller sein .
Jetzt schlang ihr der Mann den Arm um den Nacken, schleuderte sie gegen die Wand und setzte ihr, noch in derselben fließenden Bewegung, das Schwert an den Hals. Das Mädchen schluckte, während die kühle Klinge ihren Kehlkopf kitzelte.
»Wer bist du?«
Der Mann sprach mit einem eigenartigen Akzent, und nur stockend kamen ihm die Worte über die Lippen. In panischer Angst starrte ihn das Mädchen an.
»Du bist so gut wie tot, weißt du das?«, fuhr er mit kalter Stimme fort, ohne eine Antwort abzuwarten.
Da spürte sie, wie etwas in ihren Armen und Beinen erwachte, wie eine ferne Erinnerung, ein Instinkt, der lange brach gelegen hatte.
»In zwei Tagen würdest du ohnehin Blut spucken«, setzte er kichernd hinzu. »Aber so lange können Radass und ich nicht warten. Deshalb hat jetzt schon dein letztes Stündlein geschlagen …«
Das Mädchen beobachtete, wie der Mann, merkwürdig verlangsamt, so als schleppe sich die Zeit nur noch träge dahin, sein Schwert fester umfasste und zu der Bewegung ansetzte, die ihr die Gurgel durchschneiden würde. Doch plötzlich war ihre Angst verflogen, und eine eiskalte Sicherheit hatte ihren Körper ergriffen, der nun an ihrer Stelle zu wissen schien, was zu tun war. Doch sie hatte noch kaum die Hand gerührt, da riss ein schwarzer Blitz den Mann von ihr fort. Sie sah, wie ein Umhang durch die Luft wirbelte, und eine lange Klinge in dem Halbdunkel des Raumes aufblitzte.
»Hier habt ihr einen Gegner, der sich wehren kann!«
Es war ein Soldat in einem weiten schwarzen Mantel, der seinen Körper ganz umhüllte und aus dem nur die Hände, die ein langes Schwert umfassten, hervorragten.
Die beiden Männer hatten sich von der Überraschung
schnell erholt. Der mit dem Schwert warf sich auf den Soldaten, während sich der andere schleppend in eine Ecke zurückzog. Und der Zweikampf begann. Funken stoben auf, als sich die Klingen trafen, und metallisches Klirren erfüllte den Raum. Das Mädchen beobachtete, wie die beiden aufeinander einschlugen, und dieser tödliche Tanz hatte etwas Vertrautes für sie.
Parieren, Ausweichen, Springen …
Sie war geradezu in der Lage, jede einzelne Bewegungen der Kämpfer vorherzusagen. Sich mit einer Hand an der Wand abstützend, stand sie da und hoffte, dass der Soldat das bessere Ende für sich haben
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