Die Feuerkämpferin 01 - Im Bann der Wächter
Stimme.
Die Wachen tauschten einen kurzen Blick. »Es geht um einen Mord, an einem gewissen Mira.«
San brach in schallendes Gelächter aus. Amhal erstarrte wie gelähmt. Der Boden unter seinen Füßen wankte, und alles um ihn herum begann sich immer schneller zu drehen. Mira. Wie lange schon hatte er niemanden mehr diesen Namen aussprechen hören? Plötzlich überfiel ihn wieder der entsetzliche Schmerz, und mit dem Schmerz die Fassungslosigkeit: San sollte dieses Verbrechen begangen haben?
»So hat also König Neor das Blatt für sich gewendet«, rief San nun und fügte an Amhal gewandt hinzu: »Das wirst du doch nicht glauben, oder?«
Der antwortete nicht. Ja, was sollte er glauben? Gerade mal zwei Tage zuvor hatte er diesen Mann an seiner Seite beim Niederbrennen eines nur von Zivilisten bewohnten Dorfes jubilieren sehen.
Das war etwas anderes. Aber kaltblütig, aus dem Hinterhalt einen Mann umbringen …
» Willst du die Wahrheit wissen?«, fuhr San weiter lachend fort. »Und ihr da, wollt ihr sie wissen?«, fügte er an die um sie herum Versammelten hinzu. »Offenbar hat es dir nie jemand gesagt, Amhal, aber der Mann, der deinen Meister getötet hat, war ein enger Vertrauter der Königin, einer ihrer Spione.«
Die Eröffnung traf Amhal mit der Wucht eines Faustschlags. Eingenommen von Trauer und Fluchtgedanken hatte er sich nicht um den Stand der Ermittlungen gekümmert.
Ich Dummkopf! Ich Dummkopf! , beschimpfte er sich selbst.
»Und wollt ihr noch etwas Interessantes wissen?«, fuhr San fort. »Dieser Mann war beauftragt, mich auszuspionieren.
Ich bin ihm rasch auf die Schliche gekommen, habe aber kein Aufhebens darum gemacht, weil es nämlich zu meiner Person nichts herauszufinden gibt: Denn ich habe nichts zu verbergen!«, rief er.
Amhal war, als platze ihm der Schädel.
»Das reicht jetzt!«, ging eine der Wachen dazwischen, und sie machten sich daran, den Gefangenen wegzuschleifen.
»Halt!«, rief Amhal da so laut, dass alle überrascht herumfuhren und ihn anschauten.
»Verstehst du jetzt, Amhal?«, hob San noch einmal an. »Sie wollen mir etwas anhängen. Ich bin hereingelegt worden. Neor, der auf wer weiß welchem Weg König geworden ist, hat in mir den perfekten Sündenbock gefunden und plant nun, mich auf dem Altar der Staatsräson zu opfern.«
»Genug mit dem Gerede. Schaffen wir ihn weg«, fiel ihm einer der Soldaten wieder ins Wort.
Doch San ließ sich nicht einschüchtern. »Überleg doch mal, Amhal. Warum will Neor mich opfern? Weil ich ihm zu mächtig bin. Weil mich Learco wie einen eigenen Sohn liebte! Mich, einen starken, mutigen Krieger, der nach den Vorstellungen des Königs vielleicht einst die Regierung übernehmen und ihm auf den Thron hätte folgen können. Das liegt doch auf der Hand, Amhal!«
Sans Worte verloren sich im Dunkel der Nacht.
Wie versteinert stand Amhal inmitten der anderen Leute, die der Szene beiwohnten, und starrte entgeistert in die Finsternis, die seinen Meister verschlang. Vor ihm nahm er das Funkeln eine Augenpaares wahr, das ihn voller Leidenschaft anblickte: die Augen Adharas.
30
Ein wahnwitziges Unterfangen
L ass mich!«, wandte sich Amhal an Adhara, die ihm gefolgt war, und verkroch sich dann in seinem Zelt. Draußen nahm das Stimmengewirr zu. Die Leute begannen, sich Fragen zu stellen, darüber zu rätseln, ob San wirklich schuldig war oder man ihn in etwas hineingezogen hatte, ob er in ein Räderwerk geraten war, das stärker war als er selbst und ihn zu zermalmen drohte.
Amhal gingen diese Worte nicht aus dem Sinn: König Neor. Was war aus König Learco geworden?
Aber vielleicht war das auch nicht so wichtig. Was zählte, war allein, was San ihm gesagt hatte, sowie das letzte Bild, das er von ihm im Kopf hatte, wie er wehrlos zwischen den Wachen stand und dann fortgeschleift wurde.
Ihm war, als sei er aus einem langen Traum erwacht, um sogleich wieder in einen neuen Alptraum gestürzt zu werden. Denn seit Miras Tod hatte er nichts anderes getan, als zu schlafen, hatte versucht, in diesem Schlaf einen Frieden zu finden, von dem er jetzt wusste, dass es nicht der seine war. Er hatte sich unvernünftig verhalten. Nur darum besorgt, so weit wie möglich dem Schatten seines Meisters zu entfliehen, hatte er die wirklich wichtigen Fragen aus den Augen verloren: Wer hatte Mira getötet und aus welchem Grund? Fragen, die ihn jetzt mit Macht bedrängten und deren Antworten möglicherweise entsetzlich waren.
San?
Wäre San tatsächlich zu so
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