Die Feuerkämpferin 01 - Im Bann der Wächter
Doch sie schaffte es, sie zurückzuhalten. »Überlass das der Justiz im Land der Sonne. Wenn San unschuldig ist, werden die Richter das feststellen und ihn freilassen. Und du wirst erfahren, was sich wirklich zugetragen hat.«
»Aber du hast doch auch gehört, was San gesagt hat. Man will ihn reinlegen.«
»Ich weiß es nicht, Amhal. Aber sieh doch nur, was er dir angetan hat! Er will dich an sich binden, und um das zu erreichen, zerstört er dich innerlich. Seit du ihn kennst, ist alles immer schlimmer geworden, auch für dich. Du hast alles verloren, was dir einmal etwas bedeutet hat, und du hast dich vollkommen verändert. Wie kannst du seinen Worten nur Glauben schenken?«
Er stieß sie unsanft zur Seite. »Er ist jetzt mein Meister! Die Person, der zu trauen ich beschlossen habe. Und willst du auch wissen, wieso ich ihm traue? Weil er genauso ist wie ich. Ich habe von ihm geträumt. Einige Nächte, bevor er in Makrat eintraf. Er rief nach mir und forderte mich auf, mit ihm zu kommen. Er ist der Einzige, der mich versteht, weil wir uns so ähnlich sind. In uns wüten die gleichen Dämonen, und das gleiche Schicksal ist uns vorherbestimmt. Er muss unschuldig sein!«
Jetzt konnte Adhara die Tränen nicht mehr aufhalten. »Nein, er hat ihn ermordet!«, schluchzte sie. »San hat Mira ermordet!«
Amhal packte sie an den Schultern und schüttelte sie. »Sag das nie wieder, auch nicht im Spaß!«
Adhara wusste nicht mehr, was sie noch tun sollte. Vielleicht gab es manchmal einfach keinen Weg, Irrtümer zu verhindern. »Geh nicht!«, flehte sie nur. »Du kannst ihn nicht retten.«
»Ich bin stärker, als du glaubst.«
»In Neu-Enawar steht ein ganzes Heer! Und du bist allein! Man wird dich töten!«
»Ich verfüge über eine Waffe, der keiner gewachsen ist.«
Adhara riss die Augen auf. »Nein, Amhal …«, murmelte sie. Wenn die blinde Wut ihn packte, die Mordlust … »Nein, Amhal, tu’s nicht! Ich flehe dich an … Du wirst sterben …«
Amhal schluckte. »Und wenn schon! Das ist unwichtig!«
Adhara sank auf die Knie und schluchzte haltlos. »Warum genügt dir meine Liebe nicht? Warum hat dir meine Liebe nie genügt?«
Er blickte sie an, und einen kurzen Moment lang erkannte Adhara ihn wieder, diesen Funken, schwach und verglühend, in seinen Augen.
Dann rannte Amhal davon.
Adhara hätte nicht sagen können, wie lange sie kraftlos dort am Boden liegen blieb. Alles kam ihr jetzt so sinnlos vor. Sie dachte an die vergangenen Monate, als sie Tag für Tag einem unmöglichen Traum nachgejagt war und sich vorgemacht hatte, etwas ausrichten können. Vergeblich. Sah so die Liebe aus? War Liebe nichts anderes als ein einziges Trugbild?
Was soll ich nur tun …? Was soll ich nur tun …?
Bald bedrängte die Frage sie derart, dass für keinen anderen Gedanken mehr Platz war. Nein, es war noch nicht alles aus. Es durfte nicht alles aus sein.
Ich muss ihn aufhalten.
Aber wie? Amhal hatte sich gewiss auf Jamilas Rücken auf den Weg gemacht, und bis Neu-Enawar war es weit. Mindestens zwölf Tage – wenn man fliegen konnte. Und sie hatte nur ihre Füße. Und doch musste sie ihm zuvorkommen. Sonst war wirklich alles aus. Ja, sie würde den König warnen oder Amina, irgendjemanden. Sie würde ihn verraten, würde Neor von seinen Plänen erzählen und Amhal so davor bewahren, sich ins Unglück zu stürzen. Besser gefangen als tot. Denn wenn er wirklich dazu kam, seiner blinden Wut freien Lauf zu lassen, war er verloren. Nein, um ihn zu retten, musste sie ihn verraten. Und dann musste sie zu ihm. Amina fiel ihr wieder ein. Amina, die sie allein zurückgelassen, der sie so wehgetan hatte, obwohl sie doch ihre einzige Freundin war. An sie musste sie sich wenden.
Aber wie? Amhal würde schneller als jedweder Brief eintreffen …
Sie nahm die Hände vor die Augen. Was sie sich auch überlegte, es war aussichtslos.
Magie. Ja, vielleicht war ihr mit Magie zu helfen. Von Theana wusste sie, dass sie in ihrem früheren Leben wohl einmal mit Magie vertraut gewesen war, und mehr als einmal hatte sie auch davon Zeugnis gegeben. Mit Sicherheit kannte sie, in irgendeinem Winkel ihres Geistes, den Zauber, der ihr jetzt helfen konnte, der es ihr ermöglichen würde, Amhal zu retten. Sie besann sich, versuchte krampfhaft, sich zu erinnern und presste dabei die Hände so fest gegen Schläfen, dass die Nägel in die Haut eindrangen, dachte an die Kräuter, die sie von der Hohepriesterin erhalten hatte, auf ihrem Nachttisch in
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