Die Feuerkämpferin 01 - Im Bann der Wächter
Herr«, meldete ihm ein Diener.
»Wer ist es denn?«
»Die Hohepriesterin.«
Schon in diesem Moment wusste er es, und es war, als zerbreche etwas in ihm – für immer.
Er musste sich helfen lassen, denn dieser Ratspalast war nicht auf seine Bedürfnisse zugeschnitten, anders als das Schloss in Makrat, wo er sich mit seinem Rollstuhl mühelos bewegen konnte. Am liebsten hätte er sie zum Teufel gejagt, die Diener, die ihn die Treppen hinuntertrugen, denn er wollte nur allein sein, während der Drang zu weinen immer stärker wurde.
Sie stand hinter einer schützenden Barriere, die zwei Magier aufrechterhielten.
»Lasst uns allein«, befahl er den Dienern, die ihn begleitet hatten.
Er schaute sie an. Die Gewänder zerknittert, das Gesicht gezeichnet, ihr Blick erloschen. Doch kein schwarzer Fleck auf ihrer Haut.
»Wie fühlt Ihr Euch?«, fragte er sie.
»Im Moment noch gut. Aber ich könnte mich bereits angesteckt haben. Deswegen die Magier …«, antwortete sie, wobei sie auf die beiden Männer zeigte.
Neor senkte den Kopf. Es war richtig, denn würde er jetzt erkranken, wäre alles umsonst gewesen. Sein Opfer, sein Entschluss, Vater und Mutter niemals mehr wiederzusehen.
»Wann ist es geschehen?«
»Vor acht Tagen.«
Was hatte er vor acht Tagen getan, während sein Vater mit dem Tod rang, weit entfernt von ihm, und vielleicht seinen Namen rief?
»Warum wurde ich nicht früher in Kenntnis gesetzt?«
»Ich wollte dir die Nachricht persönlich überbringen.«
Neor wandte den Blick ab. Er wollte nicht weinen, nicht jetzt. Die Lage erforderte Mut, Standhaftigkeit und Haltung. Als er in sich hineinblickte, entdeckte er nichts davon. Also spielte er es vor, vorspielen, das genügte.
»Es war ein langer Kampf …«, murmelte er, mehr zu sich selbst.
»Ja, als ihr aufgebrochen seid, war er schon nicht mehr bei Bewusstsein und ist danach nie mehr richtig zu sich gekommen. Ich denke nicht, dass er sehr gelitten hat«, erklärte Theana. »Und zudem ging er von uns in der Gewissheit, dass du seinen Platz eingenommen hast und alles tun wirst, was nötig ist.«
Neor kniff die Augen zusammen. Die Frage brannte ihm auf der Zunge, und er konnte sie nicht mehr länger zurückhalten. »Hat er nach mir verlangt?«, fragte er und fand dabei nicht den Mut, den Blick zu heben.
Theana trat näher an die Barriere heran und streckte eine Hand zu ihm aus. Neor wünschte sich, diese Hand könnte ihn berühren, könnte ihn streicheln, in diesen letzten Augenblicken als Sohn.
»Nein. Das hat er nicht. Und deine Mutter ebenso wenig. Beide wussten Bescheid und haben deine Entscheidung verstanden. Du hast das Richtige getan.«
Da brach Neor in Tränen aus, und er weinte um seinen Vater, weinte beim Gedanken an den einsamen Tod des Königs,
Learcos des Gerechten, der etwas erreicht hatte, woran alle anderen vor ihm gescheitert waren: der Aufgetauchten Welt einen langen Frieden zu schenken, einen Frieden von fünfzig Jahren. Und nun war er gegangen, allein, ohne sich von seinem Sohn verabschieden zu können, blutend und von der Seuche entstellt.
Theana betrachtete ihn schweigend. Ihre Augen waren trocken; sie hatte schon alle Tränen geweint.
»Was ist mit meiner Mutter?«, fragte Neor, als er sich etwas beruhigt hatte.
»Sie erkrankte drei Tage nach ihm. Doch bei ihr scheint der Verlauf weniger dramatisch als bei deinem Vater zu sein. Als ich sie verließ, schien sie bereits auf dem Weg der Besserung.«
Neor atmete erleichtert auf. Zumindest war er nicht ganz allein.
»Lasst sie zu mir bringen, sobald es ihr besser geht. Ich brauche sie an meiner Seite.«
Theana lächelte. »Sie lechzt geradezu danach, sich in die Arbeit zu stürzen. Auch als sie krank wurde, gönnte sie sich keine Ruhe: Tag und Nacht wachte sie am Lager deines Vaters, war ständig beschäftigt, selbst als das Fieber sie gepackt hatte. Das ist ihre Art, mit dem Schmerz umzugehen. Eure Art.«
Neor schwieg. Hätte er doch nur den Bruchteil des Mutes seiner Mutter besessen, dachte er.
»Gibt es Fortschritte bei der Suche nach einem Heilmittel oder einer Behandlung, die eine Ansteckung verhindern kann?«
»Wir arbeiten Tag und Nacht daran. Ich selbst habe mich in jüngster Zeit nur um deinen Vater gekümmert, aber die Brüder und Schwestern meines Ordens sind unermüdlich bei der Sache. Sie schonen sich nicht und opfern alles für dieses Ziel. Viele haben es schon mit dem Leben bezahlt.«
»Und …?«
»Bis jetzt ohne Erfolg«, antwortete Theana, die
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