Die Feuerkämpferin 01 - Im Bann der Wächter
ein in seine Gedanken wie ein Keil, der sich langsam in seinen Geist vorschob.
Zur Tat schreiten. Das war es. Wie immer, wenn der Schmerz übermächtig wurde, gab es nur ein Mittel für ihn: den Körper in Bewegung setzen und mit blinder Wut die Ratlosigkeit und Verzweiflung vertreiben.
Bei Tagesanbruch verließ er sein Zelt. Die Sonne erhob sich gerade erst über den scharfen Umrissen der Pinien. Ein glutroter Ball, der ihn an die Feuerkugel erinnerte, mit der sie nur wenige Tage zuvor dieses Dorf eingeäschert hatten. Noch einmal fühlte er sich bestätigt in seinem Entschluss. San würde ihm nicht, so wie Mira, verlorengehen. An seinen neuen Meister würde er sich klammern bis zuletzt, ihm wollte er bedingungslos glauben, dem Mann, der sein Leben so von Grund auf verändert und ihm gezeigt hatte, wer er wirklich war.
Er würde San retten.
Auch Adhara hatte in der Nacht keinen Schlaf gefunden. Immer wieder sah sie Amhals verzweifeltes Gesicht vor sich, hörte Sans Worte, während er abgeführt wurde, und auch sie fragte sich, was wohl am Hof geschehen sein mochte.
»König Neor.« Hieß das, dass König Learco tot war? Und Amina? Was war jetzt mit der kleinen Prinzessin?
Ihre Gedanken rasten und raubten ihr den Schlaf. Am liebsten wäre sie zu Amhal hinübergegangen. San war fort und damit die Gelegenheit günstig, Amhal zur Vernunft zu bringen. Aber sie wusste, dass er gerade jetzt Ruhe und Zeit brauchte, um allein über die Geschehnisse nachzudenken und sich langsam an den Gedanken zu gewöhnen, der auch für sie entsetzlich war: dass San tatsächlich hinter der Ermordung von Mira steckte. Aber die Vorstellung kam ihr jetzt nicht mehr unsinnig vor. Dieser Mann hatte viele entsetzliche Gesichter, die er gut verbarg, die sie aber in manchen Momenten hatte aufblitzen sehen. Und dann dieses krankhafte Interesse an Amhal, wie er sich von Anfang an ihn herangemacht, ihm zugesetzt, ihm die Luft zum Atmen genommen und ihn keinen Augenblick mehr allein gelassen hatte. Erst seit Sans Auftauchen hatte Amhal sich so verändert, als sei er vergiftet worden. Und in dieser Situation war Miras Tod San sehr gelegen gekommen: Damit hatte er freie Bahn, konnte seinen Einfluss auf Amhal noch weiter ausdehnen und seine Seele ganz in Besitz nehmen.
Er will Amhal für sich , sagte ihr die innere Stimme, und die einfache Klarheit dieser Erkenntnis erschütterte sie. Von Beginn an hätte sie es sehen müssen, aber da war sie zu abgelenkt gewesen. Dieser Mann wollte Amhal! Sie wusste nicht, wieso, aber das würde sie herausbekommen. Fest stand aber: Amhals Wut, seine Raserei, auch sein Schmerz, waren San dienlich.
Sie wartete, bis es hell wurde, stand früher als gewöhnlich auf und ging mit heftig pochendem Herzen hinüber zu Amhals Zelt. Irgendetwas sagte ihr, dass diesmal alle Karten auf den Tisch kommen würden.
Er war noch in seinem Zelt, lief hektisch hin und her und packte offensichtlich seine Sachen zusammen.
»Was tust du da?«
Erschrocken fuhr er herum. Einen Moment lang starrte er sie an und wandte sich dann wieder, ohne Antwort zu geben, seiner Tasche zu.
Adhara ergriff seinen Arm und hielt ihn fest. »Jetzt sag endlich, was du vorhast.«
Sein Blick war hart, feindselig. »Es ist besser, wenn du das nicht weißt.«
»Wenn du fortgehst, komme ich mit.«
»Wo ich hingehe, kannst du mir unmöglich folgen.«
Er machte sich los und hängte sich die Tasche um, doch Adhara baute sich vor ihm auf. »Es ist Zeit für dich, das alles hier zu vergessen«, sagte sie, bemüht, das Zittern in ihrer Stimme zu unterdrücken. »Auch diesen Mann zu vergessen und wieder zu dem Amhal zu werden, den ich von früher kenne.« Sie legte ihm die Hände auf die Brust. »Das alles war nur eine Episode, eine schlimme Zeit, die nun aber vorüber ist. Andere werden entscheiden, was aus San wird. Du aber bist frei.«
Amhal blickte sie kalt an, ohne den Hauch von Verständnis in seinen Augen. »Du weißt ja nicht, was du da redest.«
»Doch. Aber du machst dir etwas vor«, ließ sie sich nicht beirren. »Lass das alles los, bitte …« Sie legte die Stirn an seine Brust und suchte jene Wärme, die sie früher dort häufig gespürt hatte.
»Ich ziehe nach Neu-Enawar«, erklärte er nur kurz, ohne auf die Berührung ihrer Stirn einzugehen.
Ruckartig hob Adhara den Kopf. »Du willst ihm nach?«
Amhal antwortete nicht, doch sein Blick sagte mehr als tausend Worte.
Die Stimme versagte Adhara, und sie spürte, wie ihr die Tränen kamen.
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