Die Feuerkämpferin 01 - Im Bann der Wächter
Vielleicht weil sie gar nicht aus der Aufgetauchten Welt stammte,
vielleicht auch nur, weil sie sich einfach nicht mehr daran erinnern konnte.
»Wie soll ich nur dahinterkommen, wer ich bin?«, fragte sie ganz unvermittelt.
»Das weiß ich auch nicht …«, antwortete Amhal unsicher. »Wie gesagt, ich muss dringend nach Laodamea. Morgen früh machen wir uns auf den Weg, und deshalb … Aber ich glaube ohnehin nicht, dass du von hier stammst … Wenn du so weit gelaufen bist …«
Sie nickte, während sie jetzt noch in einen Apfel biss.
»In Laodamea werden wir uns umhören, Erkundigungen einholen, ausgehend von deinen Haaren und Augen. Die wirken so fremd, wie ich sie noch nie gesehen habe. Vielleicht müsste man in irgendwelchen Büchern nachschlagen.«
»Büchern?«
»Ja, darin sind Sachen aufgeschrieben …« Er hielt inne. »Kannst du eigentlich lesen?«
Mit dem Apfel in der Hand blickte sie ihn aus großen Augen an. »Lesen? Ich weiß gar nicht, was das bedeutet.«
Amhal griff in seine Tasche und holte ein paar solcher goldenen Scheibchen hervor, wie sie das Mädchen am Vorabend zum Bezahlen im Wirtshaus benutzt hatte.
»Die kenne ich«, rief sie. »Dafür bekommt man zu essen.«
»Ja, so ungefähr. Münzen nennt man sie.« Dann deutete er auf die Gravuren.
»Verstehst du, was da steht?«
»Ja, klar. ›Salazar, fünf Heller‹.«
»Alle Achtung«, lächelte er, »du kannst lesen. Bücher sind Blättersammlungen, die mit Wissenswertem zu allen möglichen Themen beschrieben sind. Bestimmt auch zu Leuten mit blauen und schwarzen Haaren und zwei verschiedenen Augenfarben.«
Bei dem Mädchen keimte neue Hoffnung auf.
Die Ellbogen auf die Tischplatte aufstützend, lehnte sich
Amhal zu ihr vor. »Aber noch etwas anderes: Wenn wir zusammen unterwegs sind, kann ich dich nicht die ganze Zeit mit ›He, du!‹ oder ›Mädchen‹ oder so ähnlich ansprechen. Du brauchst einen Namen.«
Sie horchte auf. Ein Name. Eine Identität. Aus dieser Unpersönlichkeit hervortreten und einen kleinen Schritt tun zu einem echten Leben, das mehr war als Überleben, Essen, Trinken.
»Ich kenne meinen Namen doch nicht …«
»Dann bekommst du eben einen neuen. Wie würdest du denn gern heißen?«
Sie hatte immer mal wieder versucht, sich ihren Namen in Erinnerung zu rufen, sich irgendeines Anhaltspunktes zu entsinnen, der ihr auf die Sprünge hätte helfen können, aber vergebens. Auch die Städtenamen, die sie jetzt erfahren hatte, Salazar, Neu-Enawar und Laodamea, sagten ihr im Grund nichts, waren nicht mehr als Laute, aus dem Nichts hervorgesprudelt, eben jenem Nichts, das so hartnäckig alle ihre Erinnerungen festhielt und nicht preisgeben wollte.
Sie schüttelte den Kopf. »Ich kenne keinen einzigen Mädchennamen.« Dann, den Blick auf den Apfel senkend: »Auch keinen Jungennamen, ehrlich gesagt.« Sie dachte einen Augenblick nach. »Gestern Abend habe ich in einer Schenke ein Mädchen getroffen, das mir geholfen hat. Galia hieß sie.«
Amhal verzog das Gesicht. »Ein Allerweltsname, passend für eine Magd. Nein, du brauchst was Besseres.«
Sie blickte gespannt zu ihm auf. »Was schlägst du vor?«
Er zeigte nur den Anflug eines Lächelns. »Adhara.«
Adhara. Sie hatte keine Ahnung, was das bedeuten mochte, und ihr fehlten auch Vergleichsmöglichkeiten, um sagen zu können, ob ihr der Name gefiel oder nicht. Dennoch nahm sie ihn auf Anhieb als den ihren wahr, fühlte sich angesprochen durch diesen Namen: Adhara.
»Der ist schön …«
Amhal schlug mit der flachen Hand auf die Tischplatte. »Abgemacht! Von nun an bist du Adhara.«
Es war ein seltsames Gefühl, nun mit einem Namen durch die Welt gehen zu können. Im Geist sprach sie ihn sich vor, während sie mit wenigen Bissen ihren Apfel vertilgte. Adhara. Das namenlose Mädchen, das verloren durch die Wälder gestreift war, gehörte der Vergangenheit an. Nun war sie jemand.
5
Die Seuche
A m nächsten Morgen wachten sie beizeiten auf. So früh wie möglich wollten sie sich auf den Weg machen, hatte Amhal nach dem Abendessen tags zuvor erklärt und dann Amhal nach dem Abendessen tags zuvor erklärt und dann hinzugefügt: »Und vorher besorgen wir noch was zum Anziehen für dich. Mit den Sachen, die du dir da ausgesucht hast, siehst du wie eine Vogelscheuche aus.«
Adhara war errötet.
Raschen Schritts machten sie sich nun auf zu einem kleinen Markt: einige von Planen geschützte Stände vor einer Mauer, Obst und Gemüse auf Tischen der Sonne ausgesetzt,
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