Die Feuerkämpferin 01 - Im Bann der Wächter
Fleisch verschiedenster Tiere und auch Kleider wurden feilgeboten. Adhara ließ sich verzaubern von den Düften und Farben. Es war kaum zu glauben, wie allein schon die Tatsache, nun einen Namen zu haben, alles in einem anderen Licht erstrahlen ließ. Zwar fühlte sie sich immer noch als Fremde in einem fremden Land, aber längst nicht mehr so verloren wie an den Tagen zuvor. Zweifellos trug auch Amhals Gegenwart an ihrer Seite dazu bei. Aber das war es nicht allein. Jetzt besaß sie eine Identität.
Sie lenkten ihre Schritte zu einem Stand, der von Kleidern überquoll. Aus einigem Abstand betrachtete Adhara befangen die dicht an dicht gestapelte oder aufgehängte Ware, und erst als sie sich ein wenig sicherer fühlte, trat sie näher. Sie betastete neugierig eine Hose, die aus Wildleder gefertigt
war, suchte dann den Blick des Händlers und fragte schüchtern: »Wie viel?«
Hinter einem kleinen Wandschirm in einer Ecke konnte sie die Hose anprobieren. Ganz unbeobachtet fühlte sie sich dennoch nicht, aber immerhin stand ihr hier ein Spiegel zur Verfügung. Sich hin und her drehend, warf sie einen prüfenden Blick auf Gesäß und Beine. Die Hose saß gut, jedenfalls besser als die andere. Dazu suchte sie sich noch ein Paar Stiefel aus. Das Hemd mit dem Mieder als Weste darüber behielt sie hingegen an. Zuletzt zog sie noch den Gürtel mit dem Dolch daran fest und war fertig. Jetzt fühlte sie sich ganz wohl in ihrer Haut. Männerkleider seien das, hatte Amhal gesagt. Wieso passten sie bloß so gut zu ihr? Und wieso fühlte sie sich so sicher mit diesem Dolch an der Seite?
Diese Anhaltspunkte bergen das Geheimnis, wer ich bin und woher ich komme , sagte sie sich. Vielleicht konnte Amhal ihr tatsächlich dabei helfen, die Fäden dieses Rätsels zu entwirren. Einen Namen hatte er ihr schon gegeben, vielleicht verhalf er ihr nun auch noch zu einer Vergangenheit.
Natürlich musste er bezahlen.
»Danke … hoffentlich ist es nicht zu viel«, murmelte sie, während sie zusah, wie er mit ein wenig besorgter Miene in seiner Tasche kramte.
»Nein, nein … es geht schon. Außerdem stehen dir die Sachen wirklich gut«, antwortete er, wobei er sie noch einmal von oben bis unten musterte. Adhara lief rot an – und fühlte sich geschmeichelt.
Als sie den Turm verließen, hoben die Wachen am Tor nur die Lanzen an, und sie tauchten wieder ein in die Vorstadt Salazars, die sich in die Ebene ausbreitete. Es war dunkel gewesen, als sie zum ersten Mal hier umhergestreift war, und das Viertel war ihr unheimlich und chaotisch vorgekommen. Auch im Tageslicht erschien ihr das Gassengeflecht immer noch unentwirrbar, doch viel weniger bedrohlich.
Einige der Straßen, durch die sie sich zwei Tage zuvor allein und verlassen geschleppt hatte, erkannte sie wieder. Sogar an der Schenke, in die Galia sie geführt hatte, kamen sie vorüber, und Adhara war versucht, einzutreten und sich vorzustellen.
Hallo, ich bin Adhara. Ja, zum Glück kann ich mich wieder an alles erinnern. Ich bin Knappe eines jungen Ritters . Eine hübsche Lüge, und es hätte ihr Spaß gemacht, sie zu erzählen.
So verließen sie die Stadt, jedoch nicht auf dem Weg, den sie vor zwei Tagen gekommen war. Kurz hinter der Stadtgrenze erkannte sie eine Ansammlung langer, hoher Holzschuppen. Darauf hielt Amhal zu, öffnete ein Tor und trat auf ein abschreckend ausschauendes Wesen zu: Seine Haut war von Kopf bis Fuß mit struppigen, rötlichen Haaren überzogen, und aus seinem Gesicht mit dem stark hervorstehenden Oberkiefer ragten bedrohlich wirkende Reißzähne hervor. Nicht sehr groß, aber dafür mit unnatürlich langen Armen ausgestattet, war es damit beschäftigt, mit ungelenken Bewegungen und einer Mistgabel in den Händen Stroh in einer Ecke aufzuhäufen.
Unwillkürlich griff Adhara nach dem Dolch, doch Amhal bremste sie. »Keine Angst, der ist harmlos. Aber du weißt wohl nicht, zu welcher Rasse er gehört?«
Sie schüttelte den Kopf. Sosehr sie sich auch bemühte, in ihrem Kopf tauchte keinerlei Erinnerung auf.
»Das ist ein Fammin. Die kümmern sich hier um den Stall.«
Amhal trat näher. »Hallo, Etash«, begrüßte er ihn mit einem Lächeln. Das Geschöpf hob den Kopf und erwiderte grunzend den Gruß.
»Was macht meine Jamila?«, fragte Amhal.
Etash zuckte mit den Achseln. »Der geht’s gut. Du weißt doch, keiner behandelt die Drachen besser als wir Fammin.« Seine Stimme klang rau, kehlig und schien nicht zum Sprechen gemacht.
»Mein Meister ist ja
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