Die Feuerkämpferin 01 - Im Bann der Wächter
aber nicht zuletzt die Furcht vor diesem ungeheuren Tier verhinderte, dass sie auch nur ein Wort verstand.
»Als Dohor dann bezwungen war, getötet von Idos Schwert, beschloss der Neue Rat, diese gefährlichen Tiere alle zu vernichten. Jamila, damals noch ein Drachenbaby, entging ihrem Schicksal, weil ein Ritter, offenbar ein recht exzentrischer Mann, auf sie aufmerksam wurde und sie zu sich nahm. In einem Versteck in den Wäldern um Makrat zog er sie auf, und als sie dann entdeckt wurde, war Jamila bereits ausgebildet. Man steckte sie in ein großes Gehege mit anderen Drachen zusammen, und dort blieb sie, ohne dass jemals irgendjemand den Mut gefunden hätte, sie in einer Schlacht einzusetzen. Aber als ich dann meine Ritterausbildung begann, gestattet mein Meister mir, mich ihrer anzunehmen und Jamila zu meinem Drachen zu machen.«
Als er Adhara den Kopf zuwandte, sah er sie kreidebleich
im Gesicht, dicht an die Holzwand gepresst, auf den Drachen starren.
Er brach in schallendes Gelächter aus. »Was hast du denn? Es ist doch alles gut …«
Sie hörte ihn kaum und ließ sich an der Wand hinabgleiten, bis sie auf dem Boden saß.
Er beugte sich zu ihr nieder. »Nur Mut. Du machst das doch sehr gut. Du brauchst wirklich keine Angst zu haben.«
Adhara schluckte.
»Ich denke, wir sollten jetzt aufbrechen. Und glaub mir, Jamila wird dir keine Scherereien machen.«
Er wandte sich an Etash. »Öffne das Dach!«
Der Fammin nickte und verschwand.
Mit zitternder Hand zeigte das Mädchen auf Jamila. »Nehmen wir den Drachen etwa mit?«
Amhal lachte wieder. »Genau genommen, nimmt der Drache uns mit. Wir fliegen natürlich, das heißt, wir dürfen auf ihm reiten.«
Adhara stöhnte.
»Das ist einfacher, als du vielleicht glaubst. Halt dich nur gut an mir fest, dann kann dir nichts passieren.«
Er reichte ihr die Hand, und ihr blieb keine andere Wahl, als sich einen Ruck zu geben und hochziehen zu lassen. Mit einer Hand umklammerte sie ihren Dolch. So fühlte sie sich ein wenig sicherer.
Da hörte sie ein lautes Quietschen über sich und blickte auf. Angetrieben von zwei mächtigen, an den oberen Schuppenwänden angebrachten Zahnrädern, die sie zuvor nicht bemerkt hatte, öffnete sich das Dach und gab nach und nach den Blick auf einen tiefblauen Himmel frei. Den Kopf gereckt, ließ Jamila wieder ihr Brüllen ertönen.
Amhal führte Adhara zu einer Seite des Drachens und gab dem Tier dann einen Klaps auf den Bauch. »Runter, Jamila, runter.«
Der Drache gehorchte und legte sich flach auf den Boden.
Erst jetzt fiel Adhara das Zaumzeug und der metallene Sattel auf, der mit breiten Ledergurten festgezurrt war. Die Zügel waren Bänder aus starken, engmaschigen Eisenringen. Das Mädchen erschauderte, als sich Amhal leichtfüßig mit einem Sprung in den Sattel schwang, und wich unwillkürlich einen Schritt zurück.
»Das ist normal, dass du Angst hast«, rief er. »Am Anfang geht das jedem so. Komm, fass dir ein Herz!«
Immer noch zögernd betrachtete Adhara den Drachen, die gelblichen Schuppen des Unterleibs, unter denen sich die langen Rippen abzeichneten, und war wie gebannt von den schweren Atemzügen, die den gewaltigen Brustkorb aufblähten und zusammenzogen. Dann besann sie sich nur noch auf Amhals Hand und gab sich einen Ruck.
Ihre Hand fest umklammernd, zog Amhal sie in den Sattel vor sich, ergriff dann die Zügel und schlang die Arme um sie. »Hol noch mal tief Luft«, riet er ihr.
Er ließ die Zügel klirren, und plötzlich spürte Adhara eine Leere im Magen. Sie kniff die Augen fest zusammen, während ein starker Wind ihre Haare erfasste und zersauste.
»Schau doch runter, es ist herrlich!«, rief Amhal ihr ins Ohr, und langsam öffnete sie die Augen. Die Holzbaracken unter ihnen wurden immer kleiner, während ihnen der Turm von Salazar wie eine Klippe im Meer der endlosen Ebene entgegenkam. Vor Staunen riss sie den Mund weit auf, die Angst war verflogen und einer stummen Ergriffenheit gewichen, die alle Worte überflüssig machte.
Immer sicherer fühlte sich Adhara im Sattel und fand auch schnell heraus, wie sie Jamilas zuckende Bewegungen in der Luft mit den Hüften ausgleichen konnte. Schon viel ruhiger sah sie zu, wie nun auch der Turm immer kleiner wurde, und heftete dann den Blick auf die Erde senkrecht unter ihr, auf die samtige Fläche des Waldes, den sie durchwandert hatte, und das silbern glänzende Band des Flusses, der so lange ihr Reisegefährte gewesen war. Und ihr ging auf, wie groß
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