Die Feuerkämpferin 01 - Im Bann der Wächter
hatte, treu zu bleiben.
Vor ihm ging eine bewaffnete, ganz in Leder gekleidete Frau, die ihn irgendwohin zu einem abgelegenen Ort führte. Zwar wusste er nicht genau, wer sie war und was sie hier in der Gegend trieb, doch er verließ sich auf den Brief, den sie ihm gezeigt hatte, als sie sich begegnet waren: ein Brief mit dem Namenszug und dem Siegel der Königin. »Ich arbeite im Auftrag der Krone und habe dir etwas zu zeigen, was dich interessieren dürfte«, hatte sie gesagt. Und Jyrio war ihr gefolgt.
Der Leichengeruch wurde immer stärker, und sein Magen rebellierte heftig, während ihm kalter Schweiß auf die Stirn trat. Sinnlos der Versuch, sich Mund und Nase zuzuhalten.
»Reiß dich zusammen, wir sind ja gleich da.«
Sie betraten eine Höhle mit einer Reihe grob aus dem Fels geschlagener Nischen. In einer lag ein lebloser Körper.
»Ich habe ihn in einem Wald hier in der Nähe gefunden. Da röchelte er noch. Ich wollte ihn noch zu einem Heilpriester schaffen, aber er ist mir unterwegs gestorben.«
Zögernd trat Jyrio näher. Der Gestank war unerträglich. »Wann war das?«
»Gestern Morgen. Es hat ein wenig gedauert, bis ich dich fand«, erklärte sie, wobei sie ihm ein Tuch reichte. »Es bringt nicht viel, aber immerhin …«
Jyrio hielt es sich vor Mund und Nase, während er sich daranmachte, die Leiche zu untersuchen. Es war die eines jungen Mannes mit seltsamen Körpermaßen – sehr schlank, Arme und Beine auffallend lang. Sein Leib war mit schwarzen Flecken übersät, und aus allen Körperöffnungen war Blut gelaufen, aus Mund, Nase, Ohren, ja sogar unter den Fingernägeln war es hervorgetreten.
Einige Augenblicke verharrte er reglos vor der Leiche.
Irgendetwas machte ihn stutzig, aber er konnte nicht erklären, was es war.
Als er der Leiche ein Augenlid hinaufschob, lief ihm ein Schauer über den Rücken. Es war ein Auge von einem tiefen Violett, das ihn da tot anstarrte. Auch das zweite öffnete er. Die gleiche Farbe. Schon zitterten ihm die Hände, als er sich nun den Haaren zuwandte. Sie waren stumpf, verklebt – und ganz offensichtlich gefärbt. Jyrio griff in seine Tasche und begann, hektisch darin herumzukramen. Endlich zog er ein Fläschchen mit einer durchsichtigen Flüssigkeit hervor, mit der er das Tuch, das er sich vor den Mund gehalten hatte, tränkte. Dann fuhr er damit über den Haarschopf des Toten. Fast augenblicklich färbte es sich braun, während die Haare der Leiche wieder ihre echte Farbe annahmen: grün.
Jyrio trat ein paar Schritte zurück und wandte sich dann an die Frau. »Trug er irgendetwas bei sich?«
»Nein, gar nichts. Nur seine Kleidung. Und ein leeres Fläschchen.«
»Wo ist es?«
Sie deutete in eine Nische neben der Leiche. Jyrio kroch dorthin und betrachtete es von nahem, wagte aber nicht, es anzufassen. Es war nur ein Glasfläschchen, das wohl irgendeine farbige Flüssigkeit enthalten hatte, deren Reste verkrustet an den Innenseiten hafteten.
Jyrio stand auf. Ihn schwindelte.
»Nun, was ist?«, fragte die Frau mit vor der Brust verschränkten Armen und entschlossener Miene.
»Tja, schwer zu sagen«, murmelte er. »Das ist kein Mensch und auch kein Halbelf, keine Ahnung, woher der stammt. Jedenfalls kommt dieser Mann nicht aus der Aufgetauchten Welt.«
»Das hab ich befürchtet«, sagte die Frau, ohne eine Miene zu verziehen.
Wie schafft sie das? , fragte sich Jyrio, der das Zittern seiner Hände nicht in den Griff bekam.
»Er ist nicht der Einzige«, fügte sie hinzu. »Zwei weitere wurden vor einiger Zeit von einem jungen Mann in Salazar getötet. Und kurz danach tauchten die ersten Krankheitsfälle auf.«
Jyrios Finger krallten sich in sein Gewand. »Dann sind sie es … dann sind sie es, die die Seuche einschleppen …«
14
Amina
B ei Tagesanbruch wachte Adhara auf. Mit Macht brach das Licht in ihr Zimmer ein. Zwar waren die Fensterläden gut geschlossen, doch der obere Teil des zweibogigen Fensters wies ein geometrisches Muster auf, durch dessen Öffnungen die Sonnenstrahlen eindrangen und ihr Gesicht kitzelten. Sie fügte sich sofort. Am Abend einzuschlafen, war schon schwierig genug gewesen, und ganz unmöglich wäre es, jetzt noch einmal einzudösen, am ersten Tag ihres neuen Lebens.
Sorgfältig zog sie sich an und fragte sich dabei, ob nicht ein schönes Kleid jetzt viel passender gewesen wäre als ihre alten Sachen. Doch wichtiger war ja, so sagte sie sich dann, dass sie sich in ihren Kleidern wohlfühlte, und das tat sie, sie
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