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Die Feuerkämpferin 01 - Im Bann der Wächter

Titel: Die Feuerkämpferin 01 - Im Bann der Wächter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Licia Troisi
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fühlte sich fast geborgen darin. Aber was war mit ihrem Dolch? Während sie noch hin und her überlegte, klopfte es.
    Amhal! , schoss es ihr durch den Kopf, und sie lief zur Tür und öffnete. Vor ihr stand ein junger Bursche in einem blütenweißen Wams. Obwohl jünger als sie, war in seinem Blick ein gewisser Dünkel erkennbar.
    »Seine Hoheit, Prinz Neor, wünscht, dich zu sehen. Ich soll dir ausrichten, dass er dich auf der Terrasse erwartet.«
    Adhara war völlig verdattert und versuchte, einen klaren Gedanken zu fassen. Neor war doch der Mann gewesen, der
in dem Stuhl mit den Rädern gesessen hatte, der rätselhafteste der ganzen königlichen Familie. Was konnte er von ihr wollen?
    »Ich weiß doch gar nicht, wo diese Terrasse ist …«, antwortete sie verwirrt.
    Der junge Bote erlaubte sich ein leicht spöttisches Lächeln. »Eben … Deswegen habe ich auch Befehl, dich dorthinzuführen.« Und damit drehte er ihr den Rücken zu, um draußen vor der Tür auf sie zu warten.
    Adhara band sich noch rasch die Haare zusammen und war fertig.
    Je höher sie kamen, desto auffallender änderte sich das Bild: von den schimmelbefleckten Wänden des Stockwerks, wo sie geschlafen hatte, zu dem einfachen, aber sauberen Verputz der Ebenen gleich darüber bis zu den prachtvollen Stuckarbeiten des Flügels, der von den höchsten Adligen bewohnt wurde.
    Kunstvoll gewebte Wandteppiche, goldene Kandelaber, die Böden überall mit roten Teppichen ausgelegt und Mosaike an den Decken. Gold überall, Gold im Überfluss, so dass es fast schon erdrückend wirkte.
    Vielleicht weiß er etwas von mir? Vielleicht gehöre ich doch irgendwie in diesen Palast. Oder er hat mich wiedererkannt und will mich festnehmen lassen, weil ich eine Verbrecherin bin.
    Ein Schwall wirrer Vermutungen ging ihr durch den Kopf, in dem es schmerzhaft pochte.
    Jetzt betraten sie einen lichtdurchfluteten Saal, in dem eine Wand ganz von Spiegeln mit verschnörkelten Goldrahmen eingenommen wurde. Doch die Wand gleich gegenüber der Flügeltür war eine reine Glasfassade. Im unteren Teil war das Glas klar, so dass das Licht rein und ungefiltert eindrang; der Teil darüber hingegen bestand aus vielen bunten, in Blei gefassten Scheiben, die zu Bildern und Figuren zusammengesetzt waren: Adhara entdeckte kämpfende Drachen, Ritter, Heere im Schlachtengetümmel. Sie ließ sich
verzaubern von diesen Darstellungen und musste plötzlich dem Jungen nachrennen, der den Saal schon wieder verlassen hatte.
    Draußen öffnete sich eine scheinbar endlos weite Terrasse, die wohl an die zwanzig Ellen lang war. Umgeben war sie von einer aus Ziegeln gemauerten und mit vielerlei Ornamenten verzierten Brüstung, auf Lücke gesetzt, so dass sie in den weiten Park hinuntersehen konnte, dessen kräftiges Grün einen lieblichen Gegensatz zum milchigen Weiß des Sommerhimmels bot. Selbst das nächtliche Gewitter hatte es nicht geschafft, die schwüle Luft zu vertreiben.
    Neor saß an einem Tisch, auf dessen schneeweißer Tischdecke ein Korb voller Früchte und eine Platte mit verschiedenen Käsen standen, dazu frisch gebackenes Brot, das einen herrlichen Duft verströmte, sowie zwei Schüsseln.
    Nach einer tiefen Verneigung entfernte sich der Diener und ließ Adhara, geblendet vom hellen Licht, am Rand der Terrasse allein zurück.
    »Komm doch näher«, forderte der Prinz sie auf, indem er sie herbeiwinkte.
    Eingeschüchtert trat sie vor. Wo war Amhal? Sogar Miras Gegenwart wäre ihr jetzt ganz lieb gewesen. Nur noch wenige Schritte von dem Prinzen entfernt, erinnerte sie sich an die Etikette und kniete nieder.
    Doch davon wollte Neor nichts wissen. »Lass doch. Wir sind allein …«
    Verlegen richtete Adhara sich auf, und ihr Blick verweilte bei dem Mann, der da vor ihr saß. Er mochte so um die dreißig Jahre alt sein. Sein Gesicht war jung, doch sein Körper wirkte abgemagert und hing schlaff im Sessel. Besonders seine Beine, kaum wahrnehmbar unter seinem langen Gewand verborgen, waren spindeldürr.
    Der Prinz lächelte. »Dann stimmt es also, dass du dich an nichts erinnerst …«
    Adhara starrte ihn verdutzt an.

    Zur Antwort deutete er auf einen Stuhl. »Nimm Platz. Du wirst hungrig sein.«
    Sie gehorchte. Dabei hatte sie keine Ahnung, ob sie sich richtig benahm, ob es überhaupt schicklich wäre, mit dem Prinzen zu speisen. Er griff zu dem Laib Brot und brach ihn mit blassen, knöchernen Händen. Er hatte schöne Finger, lang und feingliedrig. In kleinen Bissen führte er das Brot zum

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