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Die Feuerkämpferin 01 - Im Bann der Wächter

Titel: Die Feuerkämpferin 01 - Im Bann der Wächter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Licia Troisi
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noch in der Akademie zu tun. Ich erwarte dich in einer halben Stunde.«
    Er nickte nur und ging weiter auf eine schmale, abwärtsführende Treppe zu. Adhara hinter ihm her.
    Einige Stockwerke stiegen sie hinab in einen sehr viel bescheidener wirkenden, völlig schmucklosen Trakt des Schlosses: enge Gänge, an den Wänden einfache Fackeln. Amhal trat eilig auf eine Holztür zu.
    »Und was ist mit mir?«, fragte Adhara.
    Einen Moment lang blickte er sie verdutzt an, als habe er an ganz etwas anderes gedacht, erklärte dann aber: »Das Zimmer hier benutze ich, wenn ich zum Dienst im Schloss
eingeteilt bin. Hier kannst du erst einmal bleiben. Ich glaube nicht, dass sich jemand daran stören wird. Und morgen bringe ich dich mit jemandem zusammen, der bestimmt eine Arbeit für dich weiß.«
    Er öffnete die Tür. Die Kammer dahinter war recht klein, ausgestattet nur mit einer abgestoßenen Truhe, einem Bett – nicht mehr als eine Feldpritsche – und einem stabilen Ständer, auf den wahrscheinlich die Rüstung gehängt wurde.
    »Aber ich bin doch gar nicht dein Knappe.«
    Amhal lächelte verlegen. »Das habe ich aber überall erzählt, um Schwierigkeiten aus dem Weg zu gehen. Dabei habe ich eigentlich noch kein Recht auf einen Knappen, solange ich kein Drachenritter bin.«
    Adharas Blick folgte ihm, während er sich durch das Zimmer bewegte.
    »Hier am Hof gibt es so viel Arbeit. Da lässt sich bestimmt was für dich finden. Der Palast ist riesig, und die Dienerschaft umfasst gewiss Hunderte von Leuten …«
    Adhara spürte, wie eine unbestimmte Unruhe ihr Herz ergriff. Das hieß, sie würde wieder allein sein in diesem weitläufigen Gebäude. Sie war versucht, etwas zu erwidern. Doch sie fand nicht den Mut dazu. Stattdessen sah sie nur zu, wie er mit sicheren Handgriffen einige Sachen zusammenräumte, während er nun noch einmal darüber sprach, dass er sich um eine Audienz bei der Hohepriesterin bemühen würde, die ihr vielleicht helfen würde, ihr Gedächtnis wiederzufinden. Und plötzlich musste sie an Miras Worte denken, einige Abende zuvor in Neu-Enawar, jene Worte, die sie so sehr verletzt hatten. Wie eine Erleuchtung erfasste sie nun deren Sinn. Ja, es war Zeit, selbst tätig zu werden, sich aus dem schützenden Schatten von Amhal oder sonst irgendjemandem zu lösen. Es gab mehr als diese Vergangenheit, die sie verloren hatte und der sie so hartnäckig auf die Spur zu kommen versuchte. Es gab auch ein Hier und Jetzt, den Weg, den sie von nun an auf eigenen Füßen zurücklegen
würde, um selbst darüber zu bestimmen, wer sie eigentlich war. Sich so Mut machend, raffte sie sich auf und legte ihr schmales Bündel mit ihren wenigen Sachen auf dem Boden ab.
    »Keine Sorge, ich komme schon zurecht«, antwortete sie und täuschte eine Entschlossenheit vor, die sie nicht besaß, sich aber sehnlich wünschte.
    Der Jüngling lächelte, während er zu seiner Tasche griff. »Also bis morgen dann.« Steif und befangen standen sie einander gegenüber, und keiner der beiden schien den Mut zu finden, diesen seltsamen Zustand zu beenden. Doch da beugte sich Amhal, zu beider Überraschung, plötzlich zu ihr vor und gab ihr einen Kuss auf die Wange. Adhara blieb kaum Zeit, seine weichen Lippen auf ihrer Haut zu spüren, da hatte er sich schon wieder von ihr gelöst.
    »Gute Nacht«, murmelte er und war schon zur Tür hinaus.
    Wie erstarrt blieb Adhara in der Kammer zurück.
     
    Rasch war die Dunkelheit über dem Land des Wassers hereingebrochen. Oder vielleicht kam es Jyrio, Bruder des Blitzes, der im Auftrag der Hohepriesterin dort unterwegs war, auch nur so vor. Viel Leid und Grauen hatte er in den vergangenen Tagen gesehen, Dörfer, die erfüllt waren von Verwesungsgestank und dem qualvollen Röcheln Sterbender. Der klare blaue Himmel über ihm und die üppig grünen Wälder ringsumher bildeten einen heftigen Gegensatz zu den Schreckensbildern, die er tagtäglich mit ansehen musste.
    Er hatte Angst. Eine wahnsinnige Angst, die ihm die Eingeweide zusammenzog und des Nachts den Schlaf raubte, Angst, sich anzustecken, während er mit nur von schwachen Zaubern geschützten Händen die Leichen untersuchte. Doch so lautete der Auftrag, den man ihm erteilt hatte, und er hatte zu gehorchen. Als er der Ordensgemeinschaft beigetreten war, hatte er diesen Grundsatz schon
verinnerlicht: die Kranken an erster Stelle, noch vor dem eigenen Leben. Und nun hatte er Gelegenheit, diesem Gelöbnis, das er gerade einmal zwei Jahre zuvor abgelegt

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