Die Feuerkämpferin 02 - Tochter des Blutes
Arrestzelle waren ihre Gedanken nicht zur Ruhe gekommen. Pausenlos hatte sie gegrübelt und war zu der Überzeugung gelangt, dass Theana in einem zumindest ganz Recht hatte: Dort draußen wartete nichts mehr auf sie. Nirgendwo. Zu fliehen hatte daher absolut keinen Sinn.
Man führte sie in einen Flügel des Palastes, den sie nicht kannte. Die Nutzung des Gebäudes hatte sich verändert seit der Zeit, als sie einmal dort übernachtet hatte. Die Angehörigen der Ordensgemeinschaft des
Blitzes hatten einen großen Teil des Hauses in Besitz genommen, hatten überall Thenaar-Statuen aufgestellt und Labore sowie Säle für ihre Gottesdienste eingerichtet. Gerade kamen sie, in einem langen Flur, wieder an einer solchen Statue vorüber. In einer Hand das Schwert, in der anderen einen Pfeil, blickte Thenaar mit der strengen Miene eines unnachgiebigen, aber gerechten Gottes von oben auf sie herab. Der schwebt hoch oben in seinen himmlischen Sphären, und ich krieche hier unten im Staub, dachte Adhara. Und sie hasste ihn aus ganzem Herzen.
Sie betraten einen großen Saal, der mit einem hohen, steinernen Tonnengewölbe überspannt war. Längs der Wände waren Fackeln angebracht, deren flackernder Schein darüber hinweghalf, dass durch die schmalen Fensterscharten kaum Licht in den Raum fiel. In der Mitte stand ein Tisch mit einem blauen Samttuch darauf, unter dem etwas verborgen schien.
Theana, in ein langes, schwarzes Gewand gehüllt, lehnte an der hinteren Wand, wo das Licht am schummrigsten war.
»Geht nur«, wies sie die Wachen an, die das Mädchen zu ihr geführt hatten.
Die Soldaten verneigten sich kurz, verließen den Saal und zogen die schwere Holztür hinter sich zu.
»Glaub mir, diese wenig freundliche Behandlung bedauere ich selbst auch«, begann Theana, als sie allein waren, »aber ich konnte dich nicht gehen lassen, bevor ich Klarheit habe.«
Adhara antwortete nicht.
Die Magierin seufzte, stieß sich von der Wand ab
und ging nun vor Adhara auf und ab und rang die Hände.
»Vor vielen Jahren«, machte sie einen neuen Anlauf, »es war in einem Saal wie diesem, suchte ein junger Mann mich auf, um mir das Ende der Zeiten zu verkünden. Ich schenkte ihm kein Gehör und jagte ihn nicht nur davon, sondern ließ ihn auch noch von unseren Brüdern verfolgen.«
Adhara blickte in eine andere Richtung und gab sich gleichgültig.
Dessen ungeachtet fuhr die alte Magierin mit gesenkter Stimme fort: »Jahre später war es dieser Mann, der dich schuf. Und nun sieh, was aus uns geworden ist. Die Zerstörer, von denen er sprach, sind tatsächlich erschienen, mein König ist tot, und die Aufgetauchte Welt droht zu zerfallen. An den Grenzen haben die Elfen damit begonnen, sich das Land zurückzuerobern, das ihnen einmal gehörte. Vielleicht wäre das alles zu verhindern gewesen, vielleicht hätte man unzählige Leben retten können, wenn ich an jenem Abend auf den jungen Eiferer gehört hätte!«
Sie trat an den Tisch. Ihre knöchernen Finger umfassten das Samttuch und zogen es mit Schwung fort, so dass es in weitem Bogen zu Boden fiel. Zum Vorschein kam eine herrlich geschmiedete Lanze. Auffallend lang und mit einer schmalen, scharfen Spitze versehen, war auf dem Schaft ein feines Muster zu erkennen. Um die Klinge aber wanden sich, ineinander verflochten, zwei grüne Ranken, an deren Enden Blüten von wunderschön leuchtenden Farben sprossen.
»Kennst du die?«
Adhara hatte die Waffe noch nie gesehen, wusste aber, worum es sich handelte. Auch das war ihrem Gedächtnis mit Gewalt eingepflanzt worden. Diese Waffe gehörte zu ihr, so wie sie zuvor zu anderen, die wie sie waren, gehört hatte.
»Nein.«
Theana lächelte. »Du lügst. Deine Augen verraten es. Das ist Dessars Lanze, ein Artefakt der Geweihten, eine Waffe, der enorme Kräfte innewohnen. Ich selbst habe sie vor vielen Jahren einzusetzen versucht.« Sie senkte den Kopf. »Die Lanze war uns gestohlen worden, aber zum Glück haben wir sie jetzt wiedergefunden. Sie war im Bau der Erweckten versteckt, an dem Ort, an dem du geschaffen wurdest.«
Adhara schluckte.
»Ich bin gescheitert, als ich damals ihre Kräfte zu nutzen versuchte, um die Königin vor dem sicheren Tod zu bewahren. Nur eine Sheireen kann sie zum Leben erwecken. Eine einfache Berührung mag schon ausreichen.« Theanas Gesicht zitterte vor Anspannung. »Nimm sie«, forderte sie Adhara auf.
Die rührte sich nicht.
»Was ist schon dabei?«
Als Antwort schüttelte das Mädchen nur abweisend den
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