Die Feuerkämpferin 02 - Tochter des Blutes
Eingeweide vor Schreck verkrampften. »Das ist doch nicht möglich …«, raunte er mit kaum vernehmlicher Stimme.
»O doch. Und wenn du genauer nachdenkst und auf dein bisheriges Leben zurückblickst, wird dir klarwerden, dass du es im Grunde immer schon wusstest.«
Diese Angst vor der eigenen Kraft, das Entsetzen angesichts seiner maßlosen Wut. Diese blinde Raserei, die ihn im Kampf unüberwindlich machte. All dies klärte sich nun und erschien ihm in einem neuen Licht.
Amhal raufte sich die Haare und presste dann die Handflächen fest gegen den Schädel. Er fühlte sich besudelt, gebrandmarkt. »Nein, das will ich nicht …«, stöhnte er.
San kicherte. »Was du willst, ist völlig gleich. Worauf es ankommt, ist nur, was du bist. Denk mal an den Tyrannen und seine Wahnideen, an seine sinnlose grenzenlose Liebe zu dieser Erde.« Sans Stimme wurde lauter, klang fast verächtlich, als er fortfuhr: »Er glaubte, die Welt retten, eine neue Ordnung schaffen zu können, und führte in Wahrheit nur das aus, wozu er geboren war. Niemand kann sich seinem Schicksal entziehen.«
»Dann will ich lieber sterben«, antwortete Amhal und blickte auf, hoffnungsvoll, so als sehe er darin eine Befreiung. Die Grabesruhe, der wahre Frieden durch die Beendigung des Lebens. Hatte er sich nach dieser ewigen Ruhe im Grunde nicht schon häufiger gesehnt, ohne es sich allerdings eingestehen zu wollen?
San blickte ihn von der Seite her an. »Offenbar hast du mich noch nicht richtig verstanden.« Er setzte sich aufrechter hin und schaute Amhal fest in die Augen. »Sieh dich doch mal um. Wie viele Kriege hast du auf diesem verfluchten Flecken Erde schon erlebt? Und wie viele wirst du noch erleben?«
»Aber wir lebten im Frieden«, wandte Amhal ein.
»Ein Frieden, den Learco mit Waffen geschaffen hatte, wobei er sogar seinen eigenen Vater tötete. Und während dieser sogenannten Friedenszeit hat Theana die Auslöschung der Erweckten befohlen. Kein Frieden hält ewig. Jahrtausendelang lebten hier in der Aufgetauchten Welt die Elfen, bevor sie vertrieben wurden. Und glaub mir, auch ohne uns wäre dieser Frieden schon bald gebrochen worden, von einem großen Heerführer. Ja, ich weiß sogar genau, dass dieser bereits begonnen hatte, seine Pläne in die Tat umzusetzen, bevor ich mich auf die Suche nach dir machte. In ein paar Tagen wirst du ihm übrigens von Angesicht zu Angesicht gegenüberstehen.«
»Dann ist es also wirklich so, wie Sennar sagte: Die Geschichte ist ein Kreislauf.« Amhals Hände zitterten, und eine Eiseskälte kroch ihm ins Herz.
»Aber Zerstören bedeutet nicht unbedingt, allem ein Ende zu bereiten. Ein Glied, das erkrankt ist, muss weggeschnitten werden. Du verlierst deinen Arm, aber du lebst. Und wir, Amhal, sorgen für eine solche Heilbehandlung.«
»Nein, nein, ich kann das nicht glauben!«, rief der junge Krieger.
»So? Dann überleg mal! Wieso hast du Neor getötet?
Ganz einfach, weil du dich endlich zu deinem wahren Wesen bekannt hast. Schon seit Kindesbeinen betrügst du dich mit dem Bild vom braven, aufrechten Amhal, der für das Gute kämpft. So lange schon schleppst du es mit dir herum, dass es dir zu einer zweiten Haut geworden ist. Aber es ist und bleibt ein Irrglaube. Amhal, wir sind es, die ein ganzes Zeitalter zu Grabe tragen. Im Laufe der Geschichte hat nicht immer Sheireen obsiegt, so wie damals meine Großmutter Nihal. Andere Male war es auch Marvash, der triumphierte.«
Einige Holzscheite knisterten im Feuer. Das Gesicht vom flackernden Licht beschienen, blickte Amhal seinen Meister schweigend an.
Der fuhr fort: »Und immer wenn ein Marvash den Sieg davontrug, hatte die Welt ihren Nutzen davon. Denn hin und wieder braucht diese Erde ein reinigendes Feuer, braucht sie Blut, das die Sünden hinwegwäscht und einen neuen Anfang ermöglicht. Wir wurden dazu geschaffen, die Bürde der Verfehlungen anderer zu tragen. Man wird uns verfluchen und vielleicht sogar unser Andenken tilgen, doch wir werden es sein, denen neue Generationen ihr Leben verdanken. Wir sind die wahren Helden der Aufgetauchten Welt.«
So wie San redete, kam er Amhal übermächtig, fast göttlich vor. Etwas Entsetzliches und gleichzeitig Grandioses strahlten seine Worte aus. Jene ungeheure Kraft, die seit vielen Jahrhunderten die ganze Aufgetauchte Welt bewegte, die Gewalt eines extremen, absoluten und notwendigen Bösen. So wollte auch er sein. Oder war es bereits?
»Vielleicht kommt dir das alles zu gewaltig vor. Ich
konnte es
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