Die Feuerkämpferin 02 - Tochter des Blutes
Luft.
»Wo sind die denn alle hin?«
»Das erkläre ich dir später. Beeil dich!«, antwortete die Prinzessin nur.
Fast im Laufschritt verließen sie den Gefängnistrakt und gelangten über die Treppe ins Erdgeschoss, wo sich zum ersten Mal seit vielen Tagen ein Lächeln in Aminas Gesicht stahl: Es war fast geschafft. Der Ausgang war schon ganz nahe, als sie um eine Ecke bogen und dabei fast eine Wache über den Haufen rannten. Einen Augenblick lang starrten sich alle drei verdutzt an.
Dann ein dumpfer Schlag, die Wache ging zu Boden und blieb reglos liegen. Mit einem Tritt hatte Adhara den Soldaten erwischt und beugte sich nun über ihn, um ihm die Waffe abzunehmen. Dabei verzog sie einen Moment lang fast angewidert das Gesicht.
»Bist du in Ordnung?«, fragte Amina, die verwirrt daneben stand.
»Ja«, antwortete Adhara knapp, mit sicherer Stimme.
Nun nahm sie die andere bei der Hand und ging voran.
Schon kam das Tor in Sicht. Verheißungsvoll und gleichzeitig abschreckend öffnete es sich in das Dunkel der Nacht, in die verdächtige Stille einer sterbenden Stadt, in eine unsichere Zukunft, aber auch in die Freiheit.
Von den zwei Wachsoldaten, die dort üblicherweise postiert waren, hatten sie einen schon außer Gefecht gesetzt, und der Verbliebene rechnete sicher nicht damit, vom Innern des Gebäudes her angegriffen zu werden. Adhara schlich sich an ihn heran und streckte ihn mit einem Schlag nieder.
So still, dass es in den Ohren dröhnte, lag die Stadt vor ihnen, der Wind trug ihnen die Gerüche der Nacht zu. Als Adhara sich noch einmal kurz umdrehte, sah sie
den roten Schein der Flammen, die aus mindestens vier Fenstern des oberen Stockwerks schlugen.
»Amina …«, murmelte sie. »Was hast du getan?«
Die Prinzessin blickte nicht zurück. Mit ihrer kalten Hand umfasste sie Adharas Handgelenk und begann zu laufen.
4
Der Prinz
R eglos betrachtete Dubhe das, was vom Schlafzimmer ihrer Enkeltochter übrig war. Möbel gab es nicht mehr, nur noch vom Feuer geschwärzte Wände und einen ätzenden Rauchgestank, der in der Kehle kratzte.
»O nein, nein, nein …«, jammerte Fea, die neben ihr stand. »Wer hätte denn so etwas für möglich gehalten?«
Die Ärmste. Sie ist gar nicht mehr ganz bei sich, dachte Dubhe. Aber wer könnte es ihr verdenken? Ein weiterer Schicksalsschlag nach der Ermordung ihres Gemahls .
Sie ballte die Fäuste. Wer war aus der königlichen Familie überhaupt noch übrig geblieben?
»Wir werden sie finden«, sagte sie knapp, blickte der Schwiegertochter in die Augen und legte ihr die Hände auf die Schultern. »Auch meine Männer werden sich an ihre Fersen heften. Und die von Adhara.«
Dass dieser Brand nur ein Ablenkungsmanöver war, um Adhara zu befreien, war ihr sofort klar gewesen. Und damit war nicht nur die Prinzessin verschwunden, sondern
auch die einzige Waffe verlorengegangen, die, nach Theanas Worten, den Vormarsch der Elfen vielleicht aufhalten konnte.
Allerdings hatte Dubhe weder mit solchen Prophezeiungen, noch mit Religionen überhaupt jemals etwas anfangen können. Die ganze Sache mit der angeblich Geweihten hielt sie für reines Wunschdenken, die letzte Hoffnung für ein Volk, das alle realistischen Hoffnungen verloren hatte. Aber schon Theana hatte sie gesagt, was sie gerade auch Fea versichert hatte: »Ich werde sie dir wiederbringen. Wie du weißt, sind meine Leute gewiefte Spürhunde.«
Sicheren Schritts bewegte sie sich durch die vom Feuer heimgesuchten Flure des Palastes. Die Flammen hatten besonders im dritten Stockwerk gewütet, aber keinen übermäßig großen Schaden angerichtet.
So gelangte sie in ihr Arbeitszimmer, einen schmucklosen Raum, von dem aus sie das zerfallende Königreich zu regieren versuchte. Unverzüglich rief sie einen ihrer bewährtesten Männer zu sich.
»Du weißt, was gestern Abend geschehen ist …«, begann sie.
»Ja, Majestät.« Ohne aufzusehen, kniete der Mann vor ihr. Alle, die Dubhe in den zurückliegenden Jahrzehnten in ihre persönliche Agentenmiliz aufgenommen hatte, waren ihr vorbehaltlos ergeben und brachten ihr blindes Vertrauen und unbedingten Gehorsam entgegen.
»Ich möchte, dass ihr mir die beiden schleunigst zurückbringt. Die Prinzessin und die Gefangene. Lasst nichts unversucht. Ich muss nicht betonen, dass ihnen
kein Haar gekrümmt werden darf. Auch nicht der Gefangenen der Hohepriesterin.«
»Wie stark soll die Suchmannschaft sein, Hoheit?«
Das war das Problem. Denn Dubhes Agenten waren fast alle
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