Die Feuerkämpferin 02 - Tochter des Blutes
auch nicht mehr.«
Adhara wollte gerade etwas erwidern, da fuhr Amina herum. »Da kommt wer«, flüsterte sie. Und bevor sie
rasch die Klappe schloss, fügte sie noch hinzu: »Also abgemacht. Morgen. Halt dich bereit.«
»Nun, wie war’s gestern? Hast du dich gefreut, deine Freundin wiederzusehen?«, fragte Fea.
Amina lag ausgestreckt auf ihrem Bett, und die Hand der Mutter verweilte in ihren Haaren. Das Mädchen antwortete nicht. Diese Berührung schenkte ihr weder Wärme noch Zuneigung. Trotz dieser Geste empfand sie Fea so fern wie immer.
»Glaub mir, ich verstehe dich, mein Kind. Aber du musst jetzt stark sein. Du darfst dich nicht ganz dem Schmerz überlassen, sonst frisst er sich in dir fest. Oder teile deine Trauer wenigstens mit mir. Du weißt doch, für mich ist der Verlust genauso groß wie für dich.«
Was wusste ihre Mutter schon? Die hatte sie doch nie verstanden. Mit Sicherheit kannte sie nicht diesen beißenden Schmerz, der sich mehr und mehr in Wut verwandelte. Ihr Leben war in dem Augenblick erstarrt, als Amhal ihrem Vater die Kehle durchgeschnitten hatte. Die Amina von damals gab es nicht mehr.
Fea seufzte, sagte aber nichts mehr. Sie stand auf, schleppte sich mit müden Schritten zur Tür und schloss sie hinter sich.
Amina wartete, bis ihre Schritte im Flur verklungen waren, und erhob sich dann. Sie war erfüllt von einer eigenartigen Ruhe, der Ruhe eines Menschen, der nach langen Tagen des Zweifelns endlich weiß, was er zu tun hat.
Sie griff unter das Kopfkissen und holte den Dolch hervor, eine alte Waffe, die sie sich in einem der leeren
Säle dieses halb verlassenen Palastes besorgt hatte. Mit einem Finger fuhr sie über die stumpfe Spitze. Halb so wild, dass die Klinge nicht scharf war, sie würde noch Gelegenheit haben, an eine bessere Waffe heranzukommen.
Sie legte ihren Morgenmantel ab und zog die Sachen über, die sie sich zurechtgelegt hatte: ein weites Hemd, eine lederne Weste und eine eng anliegende Hose. Genau die richtige Kleidung für das, was von jetzt an ihr Leben bestimmen würde: der Kampf. Zuletzt befestigte sie noch den Dolch am Gürtel und schaute dann nach, ob der geplante Fluchtweg frei war. Ein Betttuch und einige Kleidungsstücke hatte sie zu einer Art Seil zusammengebunden. Das verknotete sie nun an einem Bein des schweren Eichentisches und legte das andere Ende in Reichweite beim Fenster zurecht. Schließlich nahm sie einen Feuerstahl zur Hand. Ihre Finger zitterten nicht, und auch ihr Herz schlug ruhig und regelmäßig. Holz, Betttücher, Kleider – im Nu hatte alles Feuer gefangen. Einige Augenblicke stand sie versonnen da und sah den Flammen zu, die begonnen hatten, ihr Zimmer zu verschlingen. Es war das Ende einer Lebensphase und die Geburt einer neuer Amina.
Als sie spürte, wie der Rauch ihr in der Kehle brannte, ließ sie sich hinab. Unten wartete sie, bis sie Geschrei, Hilferufe und aufgeregte Schritte in den Fluren hörte. Dann lief sie weiter zu den Verliesen hinunter.
Niemand achtete auf sie. Durch das Feuers, das sich rasch in den oberen Stockwerken ausbreitete, war im ganzen Palast Chaos ausgebrochen. Zudem saß zurzeit lediglich Adhara im Kerker ein, und dies auch nur auf
Befehl der Hohepriesterin und nicht des Königs, so dass die Bewachung nicht sonderlich scharf war.
Unten war tatsächlich niemand zu sehen. Selbst der Wachsoldat gleich vor Adharas Zelle war hinaufgelaufen, um zu sehen, was die Aufregung zu bedeuten hatte. Und er hatte die Schlüssel am Haken in der Wachstube hängen lassen. Das kam häufiger bei ihm vor, eine schlechte Angewohnheit, deretwegen ihn aber in diesen turbulenten Zeiten noch niemand gerügt hatte. Amina brauchte nur zuzugreifen.
Mit pochendem Herzen blieb sie vor der Zellentür stehen, steckte den Schlüssel ins Schloss und versuchte, ihn umzudrehen. Nichts. Er bewegte sich nicht. Noch einmal versuchte sie es, mit aller Kraft und schweißnassen Händen von der Anspannung.
»Amina, bist du das?«, rief Adhara von der anderen Seite mit belegter Stimme.
»Warte, ich hab’s gleich.«
Jetzt ein Klacken, lauter als die Geräusche zuvor, und der Riegel flog zurück.
»Los, komm!«
Auf unsicheren Beinen wankte Adhara aus der Zelle, und Amina ergriff ihren Arm, um sie zu stützen.
»Komm, wir müssen uns beeilen!«
Noch ein wenig verwirrt ließ Adhara sich durch das Labyrinth der Gänge führen, die sie von der Freiheit trennten. Keine einzige Wache war zu sehen, nur ein durchdringender Brandgeruch lag in der
Weitere Kostenlose Bücher