Die Feuerkämpferin 02 - Tochter des Blutes
Käfig hinausmusste.
Sie riss an den Streben und stemmte sich mit den Füßen dagegen. Aber sie gaben nicht nach. Da sah sie einen Mann in nächster Nähe, offenbar schwer verletzt, hilfesuchend am Boden kriechen. Doch für ihn gab es keine Rettung mehr, nur wenige Schritte von ihr entfernt bäumte er sich noch einmal auf und blieb dann, mit einer Klinge in den Händen, reglos liegen. Diese Waffe hätte sie gut gebrauchen können. Nur wie kam sie aus diesem verdammten Käfig hinaus?
Da bemerkte sie, dass das von dem Lindwurm entfachte Feuer auf einen Busch übergegriffen hatte, der gleich neben dem Käfig wuchs. Das war ihre einzige Chance. Der reine Wahnsinn, eine Verzweiflungstat. Aber es gab keinen anderen Weg.
Zunächst zwängte sie mühevoll beide Arme bis zu den Ellbogen zwischen den engen Stäben hindurch. Dann streckte sie die befallene Hand aus. Es war klüger, diese für die Freiheit aufs Spiel zu setzen. Je näher sie dem Busch kam, desto unerträglicher wurde die Hitze der Flammen, die Haut zischte fast schon. Aber sie bekam einen Zweig zu fassen und begann mit aller Kraft an ihm zu reißen und zu zerren, während sie ihre Hand schon nicht mehr spürte. Irgendwann gab das Holz tatsächlich nach, der brennende Busch wurde gegen die Käfigwand geschleudert, und Adhara sank zurück, hockte in einer Ecke auf dem Boden und sah zu, wie die Flammen ihr Werk verrichteten.
Zum richtigen Zeitpunkt begann sie, mit den Füßen nachzuhelfen.
Fünf, sechs Tritte reichten, dann zerbarst der Käfig in einem Meer von Funken. Adhara konnte einen Triumphschrei nicht unterdrücken. Und schon stürzte sie zu dem Toten am Boden und riss sein Schwert an sich. Es war noch schäbiger, als sie geglaubt hatte, aber darauf kam es nicht an. Zunächst einmal taugte es dazu, die Fesseln zu zerschneiden, die noch nicht verbrannt waren.
Dann warf sich die Feuerkämpferin ins Getümmel. Obwohl sie sich schlapp fühlte und ihre Bewegungen langsamer als gewöhnlich waren, gelang es ihr, sich nach Kräften zu behaupten. Die verzweifelte Wut, die sich lange Zeit in ihr aufgestaut hatte, brach hervor und lenkte sie. Um sie herum lagen Dutzende von Leichen. Sie würdigte sie keines Blickes, denn sie hätte darunter viele bekannte Gesichter erkannt, Menschen, die sie
aufgenommen, die sie behandelt und versorgt hatten. Gewiss, auch eingesperrt, zurückgewiesen und verurteilt. Aber dieses Ende hatten sie dennoch nicht verdient.
Während sie kämpfte, vergaß sie alles andere, schaltete ihr Denken aus, um Schmerz und Wut freien Lauf lassen zu können. So geschah es ganz unvermittelt, dass der Gedanke an Amina sie überfiel, ähnlich dem Schmerz einer offenen Wunde, der plötzlich wieder einsetzte. Das Mädchen saß sicher irgendwo in dieser brennenden Hölle fest. Sie musste sie finden, musste sie retten.
»Amina!«, schrie sie.
Dunkelheit, Flammen, der Geruch von Blut und Tod. Das war er, der Krieg in seiner entsetzlichen, wahren Gestalt. Die Feuerkämpferin spürte, dass er ihr vertraut war und dass sie sich gleichzeitig vor ihm graute. Aber mit einem Anflug von Stolz erkannte sie auch, dass dieses Gefühl ganz und gar ihr eigenes war, die Wahrnehmung jener Adhara, die auf dieser Wiese erwacht war und dann das Schicksal abgelehnt hatte, das von anderen für sie vorgezeichnet worden war.
»Amina!«
Da durchzog ein stechender Schmerz die Brust, und unwillkürlich führte sie eine Hand zum Herzen.
Nicht jetzt, nicht jetzt , dachte sie verzweifelt, während sie, das Heft ihres Schwertes fest in der Hand, suchend über das Schlachtfeld irrte.
»Amina!«
Plötzlich sah sie etwas aus den Flammen auftauchen und blieb keuchend stehen.
»Amina, bist du das?«, rief sie mit einem Funken Hoffnung.
Langsam wurden die Umrisse immer deutlicher, und sie erblickte die Gestalt eines jungen Mannes, schlank mit breiten Schultern, ein Krieger, der ein außergewöhnlich langes Schwert in den Händen hielt.
Nein .
Das Blut troff ihm von der Klinge, während er langsam immer näher kam.
Adharas Herz begann wie wahnsinnig zu rasen. Denn diese Gestalt war unverwechselbar und rief Schmerz und Verzweiflung ebenso wie Hoffnung und Zuneigung in ihr wach.
Sie erkannte diese grünen Augen wieder, diese sanft schwingenden, im Nacken zusammengefassten Haare, diesen leichten Brustpanzer aus schwarzem Leder, der den Oberkörper eines mittlerweile voll herangereiften jungen Mannes umschloss. Amhal. Der Amhal, wie sie ihn an jenem verhängnisvollen letzten Tag
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