Die Feuerkämpferin 02 - Tochter des Blutes
bald holen und nach Neu-Enawar zur Hohepriesterin bringen.«
Adhara ließ sie Schultern sinken. Es war aus. Dieser ganze lange Weg, um schließlich doch wieder zum Ausgangspunkt zurückgebracht zu werden. Besonders wütend aber machte sie, dass es ihr nicht gelungen war, ihrer Bestimmung zu entfliehen. Hunderte von Meilen hatte sie zurückgelegt und es doch nicht geschafft, Theana weit genug zurückzulassen.
»Vorher aber müssen wir noch etwas von dir wissen«, fuhr der Alte fort.
Adhara nickte.
»Wie hießen deine Eltern?«, fragte Kairin.
Ihre Vergangenheit. Ihr früheres Leben. Sie biss sich auf die Lippen. »Daran kann ich mich nicht erinnern...«
»Wo bist du geboren?«
»Glaubt mir, ich kann mich an gar nichts aus dieser Zeit erinnern…«
Kairin schien sie nicht zu hören. »Wie haben dich deine Eltern als kleines Mädchen genannt? Was hast du am liebsten gespielt? Wie hieß deine Schwester, und in welchem Alter ist sie gestorben? Und deine Tanten, in welches Land sind sie gezogen, und wann war das?«
»Ich weiß es nicht! Ich weiß es doch nicht! An all diese Dinge kann ich mich nicht erinnern«, schrie Adhara.
Der Alte kam so nahe an sie heran, dass seine Stirn die Holzstäbe berührte. »Und warum trägst du dann ihr Gesicht? Wie konntest du es wagen, in unser Dorf zu kommen, ausgerechnet zu uns, mit ihrem Gesicht?«
Seine Augen glühten vor Zorn, und Adhara ging auf, welche Gräueltat die Erweckten verübt hatten, nicht nur an ihr, sondern an all diesen Menschen.
Sie blickte Kairin an und hoffte, in seinen Augen eine Spur von Verständnis zu erkennen.
»Aber ich bin Elyna«, erklärte sie und kam näher an die Stäbe heran. »Nach ihrem Tod haben diese entsetzlichen Fanatiker auf irgendeine Weise ihren Leib zu neuem Leben erweckt – wie, weiß ich auch nicht. Deshalb bitte ich euch«, flehte sie inständig und völlig aufrichtig, »gebt mir die Gelegenheit, noch einmal neu zu beginnen! Wenn ihr mir dabei helft, mich zu erinnern, wird mir sicher nach und nach alles wieder einfallen, und damit könnte Elyna auch wieder unter euch sein.«
Der Alte schaute sie verächtlich an, während sein Sohn die Augen niederschlug, so als könne er ihren Anblick nicht ertragen.
»Wie kannst du es wagen …?«, stöhnte er schließlich mit zitternder Stimme. »Wie kannst du es wagen, mir so etwas vorzuschlagen? Wie kannst du es wagen, überhaupt von Elyna zu reden? Du Ungeheuer mit ihrem Gesicht!«
Adhara senkte den Kopf. In ihren Augen standen Tränen.
»Wäre es nach mir und unserem Dorf gegangen, hätten wir dich getötet«, fügte Kairin hinzu. »Elyna ist tot, und solch eine schreckliche Verhöhnung hat sie wirklich nicht verdient. Aber die Hohepriesterin will dich lebendig, und wir werden ihr gehorchen. Morgen brichst du auf, und dann werden wir uns niemals wiedersehen. Aber ich hoffe von ganzem Herzen, dass das Schicksal dir jenes Ende zugedacht hat, das du verdienst.« Damit spuckte er vor ihr aus, hakte den Vater unter und entfernte sich mit ihm.
Jenseits des Palisadenzauns, der das Lager begrenzte, tauchte die Sonne den Himmel in ein blutiges Rot. Adhara blieb die Luft weg. Aber nicht wegen der unbekannten Krankheit, die sich ihres Körpers bemächtigte, sondern wegen des Abscheus, den sie vor sich selbst empfand.
Als sie erwachte, raste ihr sofort eine wirre Flut von Gedanken durch den Kopf. Lange hatte sie nicht einschlafen können. Die Begegnung mit Kairin und seinem Vater hatte sie dermaßen erschüttert, dass sie sich nur noch wünschte, alles zu vergessen.
Sie kämpfte gegen die Beklemmung an, die ihr die Brust einschnürte, und stemmte sich mühsam hoch.
Aber da war noch etwas anderes. Eine eigentümliche Unruhe hatte sie ergriffen, so als wittere sie Gefahr.
In diesem Moment gellte ein Brüllen durch die Luft. Auf der Stelle wusste Adhara, woher es kam. Der Atem stockte ihr, denn schon sah sie es auch in seiner ganzen furchterregenden Erscheinung näher kommen. Zum Angriff bereit, riss das gewaltige schwarze Tier mit dem schlangenähnlichen Körper den Rachen auf. Nur einen Augenblick, dann war alles in eine dichte Rauchwolke gehüllt. Entsetzensschreie. Schwerterklirren. Flammen.
Ein Überraschungsangriff.
Im Dunkel der Nacht erkannte Adhara schemenhaft die eleganten Elfenkörper. Und etwas erwachte in ihr, das sie zum Kampf drängte. Aber vielleicht war es auch nur der Selbsterhaltungstrieb. Das Einzige, was sie wusste, war, dass sie so schnell wie möglich aus diesem
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