Die Feuerkämpferin 03 - Im Land der Elfen
gekommen. Dieser Gedanke quälte sie.
»Du hättest nichts ändern können«, tröstete er sie. »Du weißt, wie stur deine Großmutter sein konnte. Ich war Tag und Nacht an ihrer Seite und habe nie etwas bemerkt. Dass sie zusehends älter wurde, habe ich mir mit ihren schweren Verlusten erklärt.«
»Was hast du denn dem Gemeinsamen Rat vorgetragen?«, fragte Amina plötzlich.
»Es ging um taktische Fragen, die der Geheimhaltung unterliegen.«
»Ich gehöre auch zu den Schattenkämpfern. Vor mir solltest du keine Geheimnisse haben.«
Baol schwieg.
»Du machst mir etwas vor«, sagte Amina. »Warum bist du tatsächlich vor dem Rat erschienen?«
Es dauerte eine Weile, bis Baol sich dazu durchringen konnte, ihr alles zu erzählen.
»Ich war im Land des Windes«, begann er, »um Nachforschungen zum Tod deiner Großmutter anzustellen.
Als ich mich in einem verlassenen Dorf schlafen legte, wurde ich von Kryss’ Soldaten ergriffen. Ich weiß, es war dumm von mir, ich habe es ihnen sehr leichtgemacht, aber ich war müde und musste mich ausruhen. Sie brachten mich nach Salazar. Und dort sah ich sie.«
Amina durchfuhr ein Schauer. Baol wich ihrem Blick aus. »Erzähl weiter«, sagte sie kühl.
»Sie hing oben am Turm. Ich weiß nicht, wie lange schon … Sanft schaukelte ihr Leib im Wind … Ein unbändiger Zorn erfasste mich. Doch sie hielten mich fest, und ich war machtlos, auch als sie mich dann zu diesem Ungeheuer schleiften …« Baol brach ab. Wie versteinert stand Amina vor ihm. »Er ist eine herrliche Erscheinung …«, fuhr Baol fort. »Aber noch nie habe ich so viel Niedertracht in einem solch anmutigen, vollkommenen Körper gesehen. Er lachte mir ins Gesicht und fragte höhnisch: ›Hast du die Mauer meiner neuen Hauptstadt gesehen? Hast du gesehen, was dort für ein schöner Anhänger baumelt?‹ Ich versuchte, mich loszureißen und auf ihn zu stürzen, doch sie hielten mich zu viert fest, und so konnte ich ihm nur meine ganze Verachtung ins Gesicht schreien. Aber er lächelte weiter, dieses gemeine, grausame Lächeln … Ruhig beobachtete er, wie ich mich austobte, und als mir die Stimme versagte, trat er auf mich zu, so nah, dass ich seinen Atem riechen konnte. Wie gern hätte ich meine Hände um seinen samtweichen Hals gelegt und zugedrückt, bis ihm die violetten Augen aus den Höhlen getreten wären. ›Ich werde dich nicht töten‹, sagte er, ›noch nicht. Du wirst mit allen anderen zusammen sterben,
wenn es so weit ist. Ich lasse dich zu deinen Leuten zurück, damit du ihnen erzählen kannst, was du gesehen hast. Deine Königin wollte mich umbringen und ist gescheitert. Ich selbst stieß ihr die Klinge ins Herz. Und sie wird dort oben hängen bleiben, solange ich es will, bis ich mich sattgesehen habe an ihr und ihr alle begriffen habt, dass mich nichts und niemand aufhalten kann, dass ich ein großes Ziel habe, das ich sicher erreichen werde.‹ Im Morgengrauen setzten sie mich dann im Bannwald aus. Ich komme direkt von dort.« Er schwieg einen Moment und rang nervös die Hände. »Deswegen bin ich hier, um den Gemeinsamen Rat zu unterrichten.«
Amina zitterte. »Und wie hat man im Rat reagiert?«, fragte sie schließlich.
»Man hat meinen Bericht zur Kenntnis genommen und dann neue Strategien für die weitere Kriegsführung verabredet. Noch ist kein Wort vom traurigen Schicksal unserer Königin nach außen gedrungen. Doch die Nachricht wird sich verbreiten, das lässt sich nicht verhindern. Und die Moral unserer Truppen ist wegen der Katastrophe im Land des Windes ohnehin schon am Boden. Jetzt wird alles nur noch schwieriger.«
Amina starrte zu Boden. In sich spürte sie einen grenzenlosen Zorn und das verzweifelte Verlangen, sich aufzumachen, etwas zu tun, egal was, um die Stimme, die in ihr tobte, zum Schweigen zu bringen. Doch sie blieb gefasst. Sie war nicht mehr die aufbrausende Amina früherer Tage. Dank ihrer Großmutter hatte sie sich verändert, und aus Respekt vor ihr musste sie Ruhe und einen kühlen Kopf bewahren.
»Fünfzig Jahre lang hat meine Großmutter das Land der Sonne regiert. Als ihr Volk wegen der Seuche aus Furcht wie gelähmt war, hat sie die Initiative ergriffen. Als sie ihren Mann und ihren Sohn verlor, hat sie sich nicht von der Trauer überwältigen lassen, sondern weiter jeden Tropfen ihres Blutes für die Aufgetauchte Welt eingesetzt. Und da erzählst du mir, niemand im Gemeinsamen Rat kommt auf die Idee, die Entehrung ihres Leichnams zu beenden?«
Kühl,
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