Die Feuerkämpferin 03 - Im Land der Elfen
an der Nasenwurzel. »Ich war jung und kaltschnäuzig«, rechtfertigte er sich, mit einem unüberhörbaren Anflug von Stolz. »Jedenfalls wurde ich erwischt, und auch davon ist mir eine unschöne Erinnerung geblieben.« Er drehte ihr den Rücken zu, so dass Adhara in dem schwachen Licht ein Geflecht von Narben erkennen konnte.
»Folter?«
»Ja. Man gedachte, mich noch ein wenig zu quälen, bevor das Todesurteil vollstreckt werden sollte.«
»Wie bei Sennar …«
»Ähnlich. Nur dass mir keine Nihal zur Seite stand, die mich hätte retten können. Ich musste alleine zurechtkommen. Ich gehöre wohl zu den ganz wenigen Magiern der Aufgetauchten Welt, die sich rühmen könne, ein Elfensiegel gebrochen zu haben.«
Adhara fiel auf, dass Meriph sehr theatralisch erzählte. Mit Bedacht setzte er die Pausen, und wenn er sich bescheiden oder gleichgültig gab, war das offensichtlich nur gespielt.
Jetzt stand er wieder auf, schöpfte sich mit der Löffelspitze ein wenig von der Suppe und kostete sie. Dann gab er je drei ordentliche Kellen davon in zwei tiefe Tonteller. Als Adhara der Duft von Fleisch und Gewürzen in die Nase stieg, ging ihr auf, was für einen Bärenhunger sie hatte, und kaum hatte sie den
Teller in der Hand, schlang sie schon gierig die Suppe hinunter.
»Nach dem langen Umherreisen beschloss ich irgendwann, dass es genug sei«, fuhr Meriph zwischen zwei Löffeln fort, »und kehrte hierher zurück. Die Lust auf Abenteuer war mir vergangen, und außerdem brauchte ich Zeit, um all diese Bücher zu studieren … Ich praktizierte die Magie und lebte zurückgezogen ein ruhiges Leben.«
Er nahm wieder einen Löffel Suppe und kostete den Geschmack ganz aus, indem er sie lange im Mund behielt. Adhara musste fast lachen, als sie sein lustiges Gesicht mit den gefüllten Backen sah.
»Als ich Adrass begegnete, war er fast noch ein Junge. Ich hatte mich auf den Weg gemacht, um seine Schwester, eine großartige Zauberin, zu besuchen. Er seinerseits war ein schüchternes Kerlchen und schien mit keinerlei Begabung für die Magie gesegnet zu sein. Ich kann dir heute auch nicht mehr genau sagen, was mich an ihm anzog. Vielleicht die Verehrung in seinen Augen, wenn er mich ansah, vielleicht die Tatsache, dass er an meinen Lippen hing, wenn ich von meinen Abenteuern bei den Elfen berichtete. Egal wie, jedenfalls trat er an meinem ersten Abend in ihrem Haus, während ich an der Brüstung stand und meine Pfeife rauchte, zu mir. ›Ist das denn alles wahr?‹, fragte er mich. Vielleicht war es auch seine Offenheit … Bis dahin hatte noch nie jemand meine Worte in Zweifel gezogen. Und ich antwortete ihm, ja, es sei alles so geschehen, ein wenig Unternehmungsgeist und ein unstillbarer Wissensdurst reichten aus, um im
Leben große Taten zu vollbringen. ›Ich besitze weder das eine noch das andere‹, antwortete er betrübt. Und dann jammerte er über seine Nutzlosigkeit und erzählte mir, welche Begabungen seine Geschwister besäßen, während er selbst zu nichts zu gebrauchen sei. Ich erklärte ihm, das sei nur seine eigene Schuld, wenn er sein Leben damit zubringe, sich selbst zu bemitleiden, könne er natürlich auch nichts zuwege bringen.«
Meriph hielt inne, um von einem Laib dunklen, weichen Brotes zwei Scheiben abzuschneiden. Eine davon reichte er Adhara.
»Tunk das in die Suppe. Du wirst sehen, wie lecker das ist.«
Sie konnte ihm nur zustimmen. Der frische, fast ein wenig süßliche Geschmack des Brotes harmonierte prächtig mit den kräftigen, würzigen Aromen der Suppe.
»Als ich mich wieder auf den Weg machte, kam er mit mir.« Meriph starrte in die Glut und seufzte. »Vielleicht hatte er ja Recht. Vielleicht besaß er tatsächlich keinerlei Begabungen. Dennoch, ich weiß nicht, wie ich es erklären soll … Bis dahin hatte ich ganz allein gelebt. Als Kind hatte ich einen Lehrmeister gehabt, war aber bald meine eigenen Wege gegangen. Kurzum, ich besaß keine Bindungen. Das war eine Voraussetzung für die Verwirklichung meiner Pläne: Wollte ich der größte Magier der Aufgetauchten Welt werden, neue Gegenden erforschen und tausend Abenteuer erleben, musste ich allein bleiben. Würdest du mich jetzt fragen, was aus meiner Familie geworden ist, könnte ich
dir nichts antworten. Aber um ehrlich zu sein, interessiert es mich auch überhaupt nicht. Ich hatte nie das Verlangen nach einer Familie. Aber mit Adrass war es etwas anderes.«
Meriph ließ den Teller sinken, und als er weitersprach, merkte Adhara, dass
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