Die Feuerkrone: Roman (Heyne fliegt) (German Edition)
hier im Gasthaus. Macht Lärm. Hier muss komplettes Durcheinander herrschen. Ein richtiger Aufruhr. Ihr zwei, Ihr bewacht diese Tür mit Eurem Leben. Wo sind Tristáns Wächter?«
» Einen Stock tiefer«, erklärt Hector.
» Gehen wir.« Mein Rucksack schlägt mir hart gegen den Rücken, als ich zur Treppe renne. Hector und Mara kommen mir nach. Unten angekommen, trommele ich im Vorbeilaufen an die Türen und Wände. Hector tut es mir nach; er nimmt dazu den Knauf seines Schwerts und erzeugt damit ein so durchdringendes Dröhnen, dass niemand diesen Lärm überschlafen könnte.
Plötzlich steht Belén vor uns, der sich uns fast geisterhaft unsichtbar genähert hat. » Ich habe Franco aus den Augen verloren. Vielleicht ist er schon drinnen.« Um uns herum gehen jetzt überall die Türen auf, Menschen drängen auf den Flur, verschlafen und erschreckt. » Habt Ihr diesen Tumult ausgelöst?«, fragt Belén und sieht sich alarmiert um.
» Wir brauchen das Durcheinander. Schon allein damit wir einen Grund haben, hier draußen auf dem Flur zu sein. Für einen Meuchelmörder ist außerdem jeder, der hier herumläuft, ein Hindernis.«
Er nickt. Dann trommelt er an die nächste Tür und schreit: » Feuer!«
Ich nehme seinen Ruf auf. » Die Stallungen brennen!« Dann, leiser und an Belén gewandt: » Geh, und zünde die Ställe an. Sorgen wir dafür, dass die ganze Stadt hierhergelaufen kommt.«
Er antwortet mit einem Grinsen, das es mir kalt den Rücken hinunterlaufen lässt. » Wir treffen uns im Keller«, sagt er, und dann ist er verschwunden.
Wir hasten die nächste Treppe hinunter, eilen durch einen weiteren Flur und gelangen in die Küchen. Hastig ducken wir uns unter den Messingpfannen und Töpfen hindurch, die überall von der Decke hängen, umrunden einen riesigen, gemauerten Brotbackofen und finden die Falltür, die in den Keller führt. Hector packt den Eisenring und zieht sie auf, und im Dunkel darunter lassen sich schemenhaft Stufen erkennen. Es riecht nach eingelegtem Fisch und vergossenem Wein.
» Mara, Ihr geht als Erste«, sagt er, und als sie hinabsteigt, schlägt mir das Herz bis zum Hals, denn natürlich lässt er sie deswegen zuerst hinuntergehen, weil dort unten eine Gefahr auf uns lauern könnte.
Nach kurzer Zeit dringt jedoch ihr Flüstern zu uns hinauf: » Hier unten ist nur Sturm, sonst niemand!«
Hector gibt mir einen Stups, und als ich hinuntersteige, folgt er mir und schließt die Falltür über unseren Köpfen. Völlige Dunkelheit umfängt uns. Vorsichtig taste ich mich weiter voran, erfühle die Kanten der Stufen mit den Zehen.
Dann höre ich das Aufeinanderschlagen von Stahl und Flintstein, und Helligkeit erfüllt mein Blickfeld. Sie verlischt, dann flammt sie wieder auf, weniger grell und ruhiger. Sturm steht unten an der Treppe und hält eine Fackel hoch, Mara steht neben ihm. Sein kapuzenverhüllter Kopf streift beinahe die Decke.
Er macht ein grimmiges Gesicht. » Ihr habt mich gezwungen, mir das Haar zu schneiden und zu färben.«
Ihm ist doch wohl klar, dass wir gerade viel größere Probleme haben? » Ich dachte, es würde Eurem Aussehen wesentlich zugutekommen«, gebe ich scharf zurück.
» Geschorenes Haar ist ein Zeichen der Schande. Ihr habt mich sehr gedemütigt.«
» Heute Nacht zünde ich eine Kerze für Eure toten Strähnen an.«
Seine finstere Miene vertieft sich. » Wo ist Belén?«
» Er sorgt für noch mehr Durcheinander. Wir warten auf ihn.«
Das tun wir, und es kommt mir vor wie eine Ewigkeit. Hier unten wird es eng und heiß. Um uns herum türmen sich Nahrungsmittel – ein paar Weinfässer, Hunderte fest verschlossene Keramikkrüge, rohe Fleischstücke, die von Haken an der Decke baumeln. Gegenüber der Treppe ist ein niedriges, dunkles Loch in der Mauer, vermutlich eine Abfallklappe, die zu den Abwässerkanälen und letztlich zum Meer führt.
» Hector, hat das Schiff, das Ihr erwartet, schon im Hafen festgemacht?«
» Nein. Aber seine Wimpel wurden gestern schon gesichtet. Sobald der Wind ein wenig auffrischt, wird es hier sein.«
» Also rudern wir hinaus aufs Meer und hoffen auf das Beste?« Mir erscheint dieser Plan viel zu heikel. Es gehört zu den schwierigsten Entscheidungen einer Königin zu wissen, wann man Dinge in die Hände anderer legen kann und wann man selbst Initiative ergreifen muss. Ich habe Hector und Tristán bisher vertraut, was dieses gesamte Unterfangen und die dazugehörigen Notfallpläne betrifft. Sie sind gute Männer,
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