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Die Feuerkrone: Roman (Heyne fliegt) (German Edition)

Die Feuerkrone: Roman (Heyne fliegt) (German Edition)

Titel: Die Feuerkrone: Roman (Heyne fliegt) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rae Carson
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verdorbenes Fleisch. Irgendwelche Dinge schwimmen im Wasser um uns herum, und ich gebe mir alle Mühe, nicht damit in Berührung zu kommen. Die Innenseiten meiner Schenkel sind vom nassen Stoff meiner Hosen allmählich wundgerieben, und meine Stiefel sinken bei jedem Schritt in Schlamm. Ich fühle mich, als könnte ich nie wieder sauber werden.
    Die Konturen der Gesichter meiner Begleiter sind zunehmend deutlicher zu erkennen, als wir ein Eisengitter erreichen. Dahinter schimmert ein wenig Mondlicht auf dem Wasser.
    » Wir müssen darunter hindurchschwimmen«, sagt Hector. » Unten links ist ein Loch. Mara?«
    Sie sieht ihn resigniert an und fragt: » Reicht Ihr mir anschließend mein Täschchen durchs Gitter?«
    Er nimmt ihr die kostbaren Gewürze ab und sagt: » Es ist genug Platz, wenn Ihr tief genug taucht.«
    Mara holt tief Luft und taucht dann unter. Sie tritt heftig um sich, trifft dabei mein Wadenbein, und dann rührt sich nichts mehr. Ich fange an zu zählen. Eins, zwei, drei, vier, fünf, sechs …
    Mit einem lauten Plätschern erscheint ihr Kopf über der Wasseroberfläche auf der anderen Seite. » Es ist nicht schwer«, stößt sie keuchend hervor. Hector schiebt die Tasche durch die Gitterstäbe, und sie nimmt sie wieder an sich.
    Als Nächster taucht Sturm hindurch, dann Belén. Hector und ich sind allein. Unerwartet umfasst er meine Taille und zieht mich zurück ins Dunkel.
    » Hector? Was…?«
    » Schnell«, flüstert er, und sein Gesicht ist ganz nahe. » Das ist vielleicht für eine ganze Weile unsere letzte Chance, ein paar Worte zu wechseln, ohne dass uns jemand hört.« Mir ist geradezu unheimlich bewusst, wie sich seine Hand auf die kleine Kuhle an meinem Rücken legt. Die vibrierende Wärme kehrt in meinen Bauch zurück. » Letzte Nacht hat Ximena mich davor gewarnt, dass Ihr dazu neigt, zu Menschen in Eurer nächsten Umgebung eine sehr enge Bindung aufzubauen.«
    » Zu Menschen wie Euch«, entgegne ich matt.
    » Ich sagte ihr, dass Ihr stärker und klüger seid, als ihr bewusst ist.« Sein Blick ruht nun auf meinen Lippen. » Ich sollte ihr versprechen, dass ich Euch nicht zu nahekommen würde.«
    Und habt Ihr das?, würde ich am liebsten fragen. Habt Ihr das versprochen?
    » Wir haben direkt vor Euch gestritten. Das war eine schreckliche Verletzung Eures Vertrauens, und ich bedaure das zutiefst.«
    » Hector? Euer Majestät?«, ertönt ein Flüstern.
    Ich kann den Blick nicht von seinen Lippen lösen. » Ximena hat recht, müsst Ihr wissen. Meint Ihr, dass es mich schwächt? Weil ich mich dann zu sehr um diese Menschen sorge?«
    » Nein«, erklärt er ohne Zögern. » Das denke ich ganz und gar nicht.« Unsere Körper sind eine Handbreit voneinander entfernt; sie trennt nur ein Kissen aus Wärme.
    » Ich auch nicht«, flüstere ich. » Es tut nur mehr weh.«
    Plötzlich zieht er mich an sich und beugt den Kopf, um mich zu küssen.
    Ich schmiege mich an ihn, während seine Finger sich in meinem nassen Haar verfangen. Mein Mund öffnet sich für seinen, und unsere Zungen berühren sich für einen winzigen Augenblick, bevor er sich wieder aufrichtet.
    Wir starren einander an. Bestürzung liegt in seinem Blick, als könnte er nicht glauben, was er da gerade getan hat.
    » Elisa?« Mara klingt besorgt.
    Bevor ich noch irgendetwas anderes denken kann, bevor der Schmerz über sein Bedauern sich in meiner Brust ausbreitet, hole ich tief Luft und tauche unter. Das Wasser klatscht über meinem Kopf zusammen, und ich taste blindlings nach dem Gitter. Meine Finger bekommen glitschige Algen zu fassen. Ich ziehe mich weiter nach unten, noch weiter, und da…! Da ist die Lücke, und ich winde mich hindurch. Mein Rucksack bleibt an einer scharfen Kante hängen, und ganz kurz erfasst mich Panik, aber dann komme ich frei. Ich tauche mit einem Ruck aus dem Wasser auf.
    Nachdem ich mir die Augen gewischt habe, erkenne ich, dass wir uns in einem schmalen Meeresarm befinden, der auf beiden Seiten von steinernen Wellenbrechern eingefasst wird. Direkt dahinter beginnt das Meer. Das Wasser liegt spiegelglatt da, und der tief stehende Mond malt einen Streifen Licht auf seine Oberfläche. Zu unserer Rechten ragt der dunkle Umriss eines langen, hohen Kais auf, der deutlich erkennbar für große Frachter angelegt worden ist. Es muss hier sehr schnell tiefer werden, wenn dort schon Schiffe mit viel Tiefgang anlegen können.
    Hector taucht neben mir auf. Er schüttelt sich das Wasser aus den Augen und deutet auf den Kai.

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