Die Feuerkrone: Roman (Heyne fliegt) (German Edition)
einen Bericht von General Luz-Manuel bezüglich der Steuererhöhung. Er betont, er habe nicht damit warten können. Man sei davon ausgegangen, dass seine Königin nicht überleben würde– und könne man ihm nun einen Vorwurf daraus machen, dass er schnell reagiert habe, wo doch so viele unbeschäftigte Einwohner Brisadulces verzweifelt darauf warten, Arbeit beim Wiederaufbau zu finden, der durch die frischen Gelder ermöglicht würde?
Zwar gelingt es mir nicht, seine Argumente zu widerlegen, aber ich kann die Phantomerinnerung nicht abschütteln, wie sich der General über meinen bewusstlosen Körper beugt und sich meinen Tod herbeiwünscht. Hinter seiner gelassenen Fassade diplomatischer Höflichkeit nimmt etwas anderes Gestalt an, da bin ich mir sicher.
Prinz Rosario besucht mich zu Anfang oft; er schleicht sich davon, wenn seine Kinderfrauen nicht aufpassen, und die Gardisten tun so, als würden sie ihn nicht bemerken. Aber nachdem sich der Junge davon überzeugt hat, dass ich nicht mehr dem Tode nahe bin und nicht sterben werde wie sein Vater, lässt er sich nicht mehr so häufig sehen. Mich stört das nicht. Es ist nicht einfach, ihn auf meinem Bett sitzen zu haben, ohne ihm das Haar zerzausen zu können oder ihn mit einem kleinen Kartenspiel zu unterhalten.
Währenddessen hat sich das Gerücht wie ein Lauffeuer verbreitet, dass ich einen neuen Ehemann suche, auch wenn ich das nie offiziell verkündet habe. Man überbringt mir zahlreiche Geschenke der großen Adelshäuser– vor allem von potenziellen Kandidaten–, die teilweise befremdlich vertraulich sind. » Saphirohrringe, deren Blau zur Farbe Eures Feuersteins passt«, steht auf einem Begleitschreiben. » Da Ihr die heiligen Schriften studiert habt, überreiche ich Euch eine viele Jahrhunderte alte Abschrift des Belleza Guerra«, lautet ein anderes. So viele fremde Menschen wissen so viel von mir, und sie überschütten mich mit kostbaren Geschenken in der vagen Hoffnung, meine Aufmerksamkeit auf sich lenken zu können.
Niemand weiß, was mit diesen Geschenken geschehen soll, und daher legt Ximena sie zunächst in eine Ecke des Atriums, damit wir uns später genauer mit ihnen beschäftigen können.
Davon abgesehen, erhalte ich auch sehr beunruhigende Nachrichten. Ein umherziehender Gerber macht mich dafür verantwortlich, nicht genug Felle zur Ausübung seines Handwerks bekommen zu können, und verlangt meine Abdankung. Eine junge Witwe mit vier Kindern bittet um Arbeit. Ein Schüler des Klosters zu Puerto Verde schickt eine verdorrte schwarze Rose und behauptet, die gotteslästerliche Hexenkunst meines Feuersteins schwärze meine Seele und ließe unser heiligstes Sakrament zu einer Farce verkommen.
Da ich zugestimmt habe, dass sich die östlichen Besitzungen abspalten und einen eigenen Staat gründen, wird in gleich mehreren Briefen gefordert, dass ich den Gebieten im Süden dasselbe Recht zugestehe. Ein Schreiben erklärt den Süden kühn zu einer unabhängigen Nation.
General Luz-Manuel verspricht, jeden Brief wegen der Anstiftung zum Aufruhr zurückzuverfolgen und jede echte Bedrohung meiner Person sofort zu ahnden. Aber selbst diese Versicherungen erfüllen mich mit Unruhe.
Jede Nacht träume ich von meinem Mörder. In meinen Albträumen sind die Katakomben eine riesige, schwarze Leere. Ich bewege mich voran, die Arme gegen die Dunkelheit ausgestreckt, und sehe plötzlich ein hässliches Glimmen. Entsetztes Begreifen durchzuckt mich, bevor sich der Mörder in ein Inferno verwandelt und seine flammende Klinge in meinen Bauch bohrt, mich zerreißt, und ich schreie und schreie…
Es ist stets jemand an meinem Bett, wenn ich erwache. Meine Zofen beruhigen mich mit sanften Worten und kühlen, ruhigen Händen, und sie flüstern mir zu, dass ich schneller genesen werde, wenn ich nicht aufzustehen versuche, und dass ich jetzt in Sicherheit bin. Aber ich kann nicht wieder einschlafen, bevor mir Ximena nicht aus der Scriptura Sancta vorgelesen hat, bevor mir Mara nicht einen Becher mit gewürztem Wein bringt oder Hector nicht überprüft hat, ob sich auch niemand auf dem Balkon verbirgt.
Eines Nachmittags schreckt mich Lärm von draußen auf. Ich höre laute Rufe, das Klappern von Metall und stampfende Schritte.
Neben mir stickt Ximena unbeirrt weiter und zieht ein ums andere Mal den Faden ihrer Arbeit glatt, aber als ich sie ansehe, erwidert sie meinen verwirrten Blick.
Lord Hector platzt in mein Gemach. » Elisa! Ich brauche Eure Hilfe!«
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