Die Feuerkrone: Roman (Heyne fliegt) (German Edition)
Menge und schlägt mit feuchtem Geräusch auf den Holzblock.
5
E s dauert einen Augenblick, bis die Menge begreift, was geschehen ist. Plötzlich fahren alle Köpfe herum und sehen mich und meinen Begleiter verwundert an.
Ich bin so still und starr wie Stein. Ximena zupft hastig meine Robe zurecht, um mein Nachthemd besser zu verdecken, aber ich kann an nichts anderes denken als daran, dass ein unschuldiger Mann in meinem Namen getötet wurde, unter dem flatternden Symbol meiner Herrschaft.
Einige haben die Lage nun soweit erfasst, dass sie auf die Knie fallen. Der Rest macht es ihnen nach, wie eine Welle auf dem Meer, bis schließlich das hölzerne Podest und der verstümmelte Leichnam sichtbar werden. Der Tote ist zur Seite gerutscht, und der Hals ist ein fleischiger, blutiger Stumpf. Wohin der Kopf gerollt ist, kann ich nicht sehen. Und dann überwältigt mich die schwindelerregende Erkenntnis, dass ich nach dem abgetrennten Kopf eines Mannes suche, den ich als meinen Freund betrachtet habe.
» Rufen Sie General Luz-Manuel unverzüglich in meine Gemächer«, sage ich mit so schneidender Stimme, wie es mir nur möglich ist. Dann drehe ich mich um, in der Absicht, meinen Auftritt mit einer dramatischen Geste zu beenden, bevor alle sehen, dass mir die Tränen über das Gesicht rinnen, aber meine Beine versagen mir den Dienst. Ximena und Hector stoßen bei dem Versuch, mich aufzufangen, mit den Köpfen zusammen. Halb ziehen sie mich, halb stützen sie mich, bis ich wieder in den schattigen Korridor gelange. Hector hält sich nicht länger damit auf, so zu tun, als könnte ich aus eigener Kraft weiterlaufen, und hebt mich hoch.
» Ich glaube, meine Wunde ist wieder aufgeplatzt«, sage ich und spüre, wie nasse Wärme sich unter meinen Verbänden ausbreitet. Darüber bin ich froh, denn so kann ich an etwas anderes denken als an das Loch, das sich gerade in meiner Brust aufgetan hat.
» Oh, mein Himmel«, jammert Ximena. » Oh, Elisa.«
Doktor Enzo wartet schon in meiner Suite, als wir dort eintreffen. Er starrt mich an.
Mara wirft mir einen entschuldigenden Blick zu. » Ich habe ihn kommen lassen.«
Hector legt mich vorsichtig aufs Bett und wendet sich dann ab, damit Enzo mein Nachthemd hochschieben und meine Verbände untersuchen kann. Ich zische vor Schmerz, als er die Bandagen entfernt.
» Es war doch sicher nichts so wichtig, dass Ihr nicht hättet…«, beginnt er.
» Ich will nichts hören.«
Er murmelt ein paar unaufrichtige Entschuldigungen und drückt seine Fingerspitzen gegen meinen Bauch. Es tut weh, aber nicht schlimm. » Faszinierend. Sagt, wurdet Ihr früher schon einmal schwer verletzt?«
Vor nicht einmal einem Jahr habe ich versucht, mir den Feuerstein aus dem Bauch zu schneiden, aber darüber möchte ich nicht reden. » Ich habe mir einmal ein paar Rippen gebrochen«, erwidere ich. » Mir ist einmal ein halber Fingernagel abgerissen. Und ich hatte einen tiefen Kratzer, der sich schlimm entzündet hat, von den Nägeln eines Invierno. Sie vergiften ihre Nägel, müsst Ihr wissen.«
Er drückt die Haut rund um die Naht zusammen und tupft die hervortretende Wundflüssigkeit mit einem trockenen Tuch ab. » Wie lange hat es nach dem Rippenbruch gedauert, bis Ihr wieder einigermaßen unbeschwert laufen konntet?«
Darüber muss ich nachdenken. Humberto hat mich damals gepflegt. Mir entringt sich ein Seufzer, als ich daran denke, wie er mir Duermakraut in die Suppe gemischt hat, damit ich schlief und nicht darauf beharren konnte, am nächsten Tag weiterzureisen. » Einen Tag. Es hat wehgetan, aber ich konnte gehen.«
Enzo hebt den Kopf und sieht mir direkt in die Augen. » Und wann waren die Schmerzen weg?«
» Nach nicht mal einer Woche.«
Seine Nase zuckt aufgeregt. Er ist wie ein Jagdhund, der eine Fährte aufgenommen hat.
Er starrt meinen Bauch an, und mir wird klar, dass er nicht etwa die Wunde betrachtet, sondern den Feuerstein. Zögernd streckt er den Zeigefinger aus, lässt ihn über meinem Nabel schweben.
» Es ist in Ordnung. Ihr dürft ihn berühren.«
Er tut es, ehrfurchtsvoll, zieht mit seiner Fingerspitze kleine Kreise über die oberste Facette.
Ich spüre den Druck seines Fingers, aber der Feuerstein reagiert nicht, sondern strahlt nur weiter sein normales Pulsieren aus. Es fühlt sich komisch an, dass ihn jemand anders anfasst. Das tut sonst niemand. Selbst Ximena und Mara streifen ihn höchstens einmal, wenn sie mich ankleiden.
» Es fühlt sich an wie ein Herzschlag«,
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