Die Feuerkrone: Roman (Heyne fliegt) (German Edition)
dazu kommt, dann verspreche ich, dass ich deswegen nur kurzzeitig erzürnt sein werde.« Mein Ton klingt schärfer, als ich eigentlich beabsichtigt habe, und das liegt vor allem daran, dass es mich verletzt, von ihm selbst hier, unter Freunden, mit » Majestät« angesprochen zu werden. » Gehen wir.«
Der Aufstieg strapaziert meine Bauchverletzung, und ich halte uns alle auf. Der Durchgang ist so eng und steil, dass es für mich anstrengender ist, mich an Hector zu hängen, als dass es mir hilft. Das Geräusch rauschenden Wassers wird lauter, der Schimmer heller. Schon bald brauchen wir die Fackeln nicht mehr. Ich kann mir nicht vorstellen, was hier, so tief unter der Erde, so viel Licht erzeugen könnte.
Die Treppe endet. Fernando zieht hörbar die Luft ein, und ich will ihn gerade fragen, was er gesehen hat, als ich schon selbst ins Licht trete und es mir die Sprache verschlägt.
Die Treppe endet auf einem hohen Sims, der über einer der größten Höhlen thront, die ich je gesehen habe. Der Fluss macht uns gegenüber eine Biegung und fließt unterhalb einer steil abfallenden Felswand dahin. Das Wasser ist glatt und klar wie Glas, obwohl ein ständiges Geräusch wie lautes Windesrauschen darauf schließen lässt, dass es in der Nähe Stromschnellen gibt. Auf dem Boden der Höhle befinden sich einige große Hütten, die aus Treibholz und den Überresten von Schiffswracks zusammengezimmert worden sind.
Überall sind Menschen unterwegs, die ihrem Alltag nachgehen, als wäre das hier ein ganz normaler Ort. Eine Frau sitzt am Eingang einer kleineren Höhle und rührt in einem Kessel, der über einem Feuer hängt. Vor der größten Hütte sind zwei bärtige, wettergegerbte Männer damit beschäftigt, ein Fischernetz zu reparieren. Nahe dem Fluss spielen barfüßige Kinder mit Stöcken und einem Lederball.
Licht dringt durch Spalten in der Decke. Diese sonnendurchfluteten Durchlässe sind üppig bewachsen, von Kletterpflanzen mit breiten Blättern, Farnkraut und zahllosen Weinranken, die so weit herunterhängen, dass sie beinahe die Dächer der Hütten streifen.
» Das ist ja ein ganzes Dorf«, flüstere ich, » das die ganze Zeit über schon unter unseren Füßen liegt.«
» Ich habe noch nie von diesem Ort gehört«, raunt Hector zurück.
Aber die besondere räumliche Beschaffenheit der Höhle verstärkt unsere Stimmen und trägt sie bis zu den Hütten am Höhlenboden. Die Menschen erstarren und sehen zu uns hinauf. Mein eigenes Erschrecken spiegelt sich in ihren Gesichtern.
Hectors Hand fährt zu seinem Schwert. Er und Fernando treten zu mir, um mich vor den Blicken abzuschirmen. Aber es ist zu spät, denn schon ruft jemand: » Da ist die Königin!«
Ich höre überraschte Ausrufe, klapperndes Geschirr, schnelle Schritte.
Hector wirbelt zu mir herum. » Wir müssen Euch hier herausbringen.«
» Noch nicht! Sie haben mehr Angst vor uns als wir vor ihnen, seht Ihr das nicht?«
Fernando zieht seinen Bogen von der Schulter und legt einen Pfeil auf die Sehne. Er und Hector tauschen einen Blick, und Hector nickt. Der Wächter tritt vor, spannt den Bogen und zielt auf die Menschen unter uns.
» Haltet ein!«, ruft Hector. » Im Namen der Königin!«
Die geschäftigen Geräusche verstummen, und nun sind nur noch der Wind und das rauschende Wasser zu hören. Nun, da alle unbeweglich dastehen, fallen mir die Verbände auf, eine Armschlinge und ein geschientes Bein, ein Kopfverband mit braunroten Flecken.
» Wir haben ihre Aufmerksamkeit, Euer Majestät«, sagt Hector. » Wollt Ihr zu Ihnen sprechen? Oder wollt Ihr Euch zurückziehen? Ich würde zum Rückzug raten…«
» Hector, diese Leute sind verletzt«, flüstere ich.
» Sie waren wahrscheinlich an den Aufständen beteiligt«, meint er nüchtern.
Sie alle sehen zu mir empor, halb entsetzt, halb hoffnungsvoll, und der Anblick ist so vertraut, dass es mir im Herzen wehtut. Wer wollte diese Menschen verletzen?
» Sie sehen aus, als seien sie im Krieg gewesen.«
» Aufstände sind Kriege.«
Oh. Mein Bauch zieht sich zusammen angesichts der Erkenntnis, dass sie wahrscheinlich in meinem Namen verwundet wurden. Ich bin wieder im Krieg. In einem nebulösen, ziellosen, aber im Krieg. Diese Menschen sind mein Volk. Vielleicht sind sie aber auch meine Feinde.
» Sind sie bewaffnet?«, frage ich. » Können sie uns von dort unten erreichen?«
» Ich sehe keine Waffen. Von dieser hohen Position her sind wir im Vorteil.«
Vielleicht sollte ich dieses Dorf
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