Die Feuertaufe
Verfügung. Die Offiziersmesse des Schiffes war deutlich größer, doch die Offiziersmesse an Bord eines Schiffes der Royal Manticoran Navy war ausschließlich für die Offiziere gedacht, nicht für den Kommandanten. Der Captain wurde dort lediglich als Gast geduldet. Dieser Raum bildete den Rückzugsraum für Honors Untergebene und zugleich auch den Raum, in dem ein Großteil des sozialen Miteinanders stattfand. Diesen Raum betrat Honor nie, es sei denn, man hätte sie ausdrücklich eingeladen.
Vor allem nicht , dachte sie, für so etwas wie das hier .
»Ich könnte mir vorstellen, dass Sie alle reichlich Fragen haben, was wir hier eigentlich beabsichtigen«, ergriff sie schließlich das Wort und stellte ihre Tasse auf der zugehörigen Untertasse ab. Der Gesichtsausdruck ihrer Untergebenen verriet Honor, dass sie wohl gerade die Untertreibung des Jahres ausgesprochen hatte. Sie spürte das sanfte Vibrieren von Nimitz’ schnurrendem Kichern. Ihr Gefährte hatte diesen Gedanken aufgefangen – oder zumindest die Stimmung, in der sich seine Person gerade befand.
»Na ja, ich denke, wir sind alle zumindest ein wenig … neugierig, Skipper«, erwiderte Taylor Nairobi nach kurzem Schweigen. Er klang entspannt, beinahe schon belustigt, doch sein Gesichtsausdruck wollte nicht so recht zu seinem Tonfall passen. Sein Blick, so musste Honor feststellen, wirkte beinahe schon verletzt. Das bedauerte sie, aber es gab einen Grund, warum sie ihn – zum ersten Mal in den zwei T-Jahren, die sie nun schon zusammenarbeiteten – nicht gänzlich in ihr Vertrauen gezogen hatte.
»Das kann ich mir vorstellen«, sagte sie. »Und ich bitte aufrichtig um Entschuldigung, dass ich Sie alle so lange nicht informiert habe. Aber ich hatte gute Gründe dafür. Ich möchte deutlich betonen, dass ich Ihnen nicht etwa kein Vertrauen entgegenbringen oder beruflich oder privat an Ihnen zweifeln würde.«
»Na, das klingt jetzt aber wirklich bedrohlich«, merkte Aloysius O’Neal fröhlich an. Seine grauen Augen jedoch wirkten sehr ernst, als er Honor über den Tisch hinweg anblickte.
»Das ist jetzt nicht genau das Wort, das ich dafür hätte verwenden wollen, Al«, verbesserte Honor ihn, »aber es geht schon in die richtige Richtung. In etwa achtzehn Stunden werden wir unser derzeitiges Ziel erreichen. Ich bin mir sicher, Aniella« – kurz lächelte Honor der Astrogatorin zu – »war nicht die Einzige, die ein wenig neugierig wurde, als ich ihr gesagt habe, wohin die Reise geht.«
Besagtes »wohin« war ein gänzlich nutz- und planetenloser roter Zwerg. Wenn überhaupt, konnte man diesen Stern nur als Orientierungspunkt gebrauchen. Nicht einmal der beste Astrogator konnte garantieren, das gewünschte Ziel immer punktgenau anzusteuern, und selbst ein nutzloser Stern war immer noch deutlich besser zu sehen als ein einzelnes Sternenschiff. Vor allem, wenn besagtes Sternenschiff sich redlich Mühe gab, keine Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. In schlechten Romanen hieß es oft, einzelne Schiffe träfen »im weiten Nichts des interstellaren Raumes« zusammen. Doch erfahrene Raumfahrer wussten ganz genau, wie lange besagte Schiffe gänzlich erfolglos nacheinander Ausschau halten würden. Man brauchte ja nur zu bedenken, dass selbst der kleinste Fehler in der Astrogation bei einer Fahrtstrecke von mehreren Lichtjahren bereits gewaltige Auswirkungen hatte.
Es sei denn, natürlich, es gab in der gewünschten Zielregion irgendein weithin sichtbares Objekt, das beide Schiffe ansteuern konnten.
»Wir fahren dorthin«, fuhr Honor fort, »um jemanden zu treffen. Und nachdem das geschehen ist, werden wir gemeinsam ein weiteres Ziel ansteuern.«
»Ein weiteres Ziel, Ma’am?«, fragte Lieutenant Hutchinson, als seine Vorgesetzte nicht weitersprach. Honor lächelte ihren Taktischen Offizier an.
»Es sieht ganz so aus, als wäre etwas faul im Staate Casimir, Fred«, erklärte sie. »Und genau dagegen werden wir etwas unternehmen. Wissen Sie …«
Die anderen hatten das Arbeitszimmer des Kommandanten bereits verlassen, und so war Honor nun mit Nairobi und O’Neal alleine. Sie wartete, bis sich die Tür hinter dem letzten ihrer anderen Offiziere geschlossen hatte, dann lehnte sie ihren Sessel zurück, faltete die Hände über dem Bauch und grinste ihre beiden Gäste schief an.
»Irgendwie«, sagte sie beinahe schon launig, »habe ich das Gefühl, Sie beide seien über diesen Einsatz nicht gerade erbaut.«
O’Neal stieß ein Schnauben aus. Nairobis
Weitere Kostenlose Bücher