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Die Feuerzangenbowle

Die Feuerzangenbowle

Titel: Die Feuerzangenbowle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Spoerl
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diktierte: „Ackermann, schreiben Sä ins
Klassenbooch: Eine Stonde Arrest für Hosemann, Schrader, Stopp, Mühlbach,
Aeverhardt, Gugenheim und Mählworm wägen Abschreibens, Knäbel wägen Schneidens alberner
Grimassen, Pfeiffer wägen Läsens eines Bräfes.“
    Es war ganz einfach: Er hatte ein
kleines Loch in die Tägliche Rundschau gepiekt. Bommel hatte ihm den Trick
verraten. Eigens um ihn auszuprobieren, hatte Schnauz die Stilübung schreiben
lassen.
    Pfeiffer wurde separat vorgenommen:
    „Wo est der Bräf?“
    Hans weigert sich und stottert etwas
von Briefgeheimnis. Aber ehe er sich’s versieht, hat der Schnauz mit
geschwinder Hand in die Brusttasche des Schülers gegriffen und ein kleines
hellblaues Etwas hervorgezogen.
    „Vom wäm est dieser Bräf?“
    „Der ist privat.“
    Schnauz beginnt zu lesen. „War est
großes E Ponkt?“
    „Das hat mit der Schule nichts zu tun.“
    „Wär est großes E Ponkt??“
    „Das geht Sie nichts an!“
    Nun war es aus. Pfeiffer muß mit zum
Direktor.
    Hans trottet wie ein begossener Pudel
hinter Schnauz her und zermartert sein Primanergehirn. Es muß doch einen Ausweg
geben. Er hat noch dreißig Sekunden. Wenn er zum
    Beispiel sagte oder noch besser .
    Aber „der Zeus“ wird die Handschrift
erkennen. Noch fünfzehn Sekunden. Oder wenn er einen Magenkrampf markierte?
Oder eine Ohnmacht? Aber der Brief! Der Brief! Nun sind sie beim Direktor.
    Professor Crey erstattet Bericht und
will gerade das Corpus delicti in die Hände des Direktors ausliefern — da hat
Hans mit einem affenartigen Griff das Zettelchen geschnappt. „Gäben Se den
Bräf!“
    Hans ist froh, daß er ihn hat.
    „Gäben Se den Bräf!!“
    Aber er weiß nicht, wohin damit. Er zerknüdelt
ihn in der Hand.
    „Gäben — Se — den — Bräf!!!“
    „Zu spät“, sagt Hans. Er hat ihn in den
Mund gesteckt und frißt ihn auf.
    Es ist niemals herausgekommen, wer
„großes E Ponkt“ war.
     
    *
     
    Eva hatte sich gegen drei Uhr zu Hause
gedrückt; sie wollte zu ihrer Freundin Lisbeth. Lisbeth hatte drei
schätzenswerte Eigenschaften: Erstens wohnte sie sehr weit, in einem kleinen
Vorort. Zweitens hatte sie kein Telephon. Und drittens war sie vollkommen
zuverlässig.
    Es war sicher nur ein Zufall, daß auch
Hans Pfeiffer an diesem Nachmittag nicht zu Hause war. Knebel, Luck und
Husemann waren um halb vier gekommen, um Schularbeit zu machen, und hatten das
Nest leer gefunden. Nachdem sie eine Stunde auf Hans gewartet hatten, zogen sie
schimpfend ab, nicht ohne ihm vorher seine Drahtbürste unter das Bettuch gelegt
und die Zahnpasta gegen eine Tube Hautcreme vertauscht zu haben.
    Indessen schritten Hans und Eva durch
den Wald.
    Sie hatten sich wie Kinder bei der Hand
gefaßt. Aber das war eigentlich nur ein Versehen. Beim Überschreiten eines
Baumstammes hatte Hans ihr galant die Hand gereicht und nachher vergessen, sie wieder
loszulassen. Eva vergaß es gleichfalls. Aber sie fühlten sich beide recht wohl
dabei. Von Zeit zu Zeit spürte Hans ein leichtes Zucken ihrer Hand. Vielleicht
war es auch nur Einbildung. Jedenfalls war er restlos glücklich und wußte im
Augenblick nicht, was er sich auf der Welt noch jemals weiter wünschen sollte,
als mit dem lieben, lustigen Mädchen Hand in Hand durch den Wald zu streichen.
    So genügsam war er in Berlin nie
gewesen.
    Natürlich sprechen sie von der Schule
und renommierten mit ihren Lehrern und ihren dagegen verübten Heldentaten.
Besonders stolz war Eva auf ihre englische Lehrerin, die auf den Spitznamen
„Miss Porridge“ hörte und von einer solchen Bazillenfurcht beseelt war, daß sie
keinem Menschen die Hand gab und die Türklinken nur mit dem Ellenbogen öffnete.
Hans führte dagegen Bommel ins Feld, der allerdings konkurrenzlos war. Seine
neueste Errungenschaft war, schlafende Schüler durch Werfen mit einem nassen
Schwamm zu wecken; der Effekt war, daß sich alle schlafend stellten und Bommel in
Verzweiflung brachten, weil nur ein Schwamm zur Verfügung stand. Die Sache war
natürlich zur Hälfte gelogen. Es muß bei dieser Gelegenheit leider festgestellt
werden, daß Hans Pfeiffer überhaupt nicht so peinlich wahrheitsliebend war, wie
man es von einem großen Schriftsteller erwarten sollte.
    Seine Magenschmerzen hatten sich längst
gelegt. Er überlegte, ob er nicht dennoch von dem verschluckten Brief erzählen
sollte; er fand seine Tat ebenso mutig wie originell. Andererseits wollte er
Eva aber auch nicht auf die Gefahren ihrer Tändelei aufmerksam

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