Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Feuerzangenbowle

Die Feuerzangenbowle

Titel: Die Feuerzangenbowle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Spoerl
Vom Netzwerk:
machen. So
kämpften Eitelkeit und Klugheit in seiner Brust. Als er die Geschichte
glücklich erzählt hatte, erfuhr er von Eva, daß sie vorsichtigerweise den Brief
von ihrer zuverlässigen Freundin Lisbeth hatte schreiben lassen. Es hätte gar
nichts passieren können.
    So waren sie allmählich bei dem alten
Schloß angelangt, das ihm Eva zeigen wollte. Dies war natürlich der äußere
Vorwand des Ausfluges. Hans hätte das Schloß auch sehr gut allein gefunden, ja,
er kannte es bereits in allen Winkeln und hatte dort kulturhistorische Studien
angestellt. Aber er tat dumm und ließ sich von Eva führen. Treppauf, treppab,
über die alten ausgewaschenen Stufen und glitschigen Steinplatten, durch
modrige Gänge und gruselige Gewölbe bis hinab ins Burgverließ, dann hinauf auf
die dicken bröckelnden Mauern, schwindelnden Wehrgänge bis in den klobigen
verfallenen Turm. Merkwürdig, heute kam ihm alles viel romantischer, viel
geheimnisvoller vor. Eva erzählte in einem fort, was sie über das Schloß wußte.
Hans hörte nicht zu, sondern berauschte sich an dem Klang ihrer klaren Stimme
und sah sie unentwegt von der Seite an.
    Als sie in den noch bewohnten Neubau
des Schlosses kamen, hörte er von ihr eine besonders hübsche Geschichte, die
nicht im amtlichen Burgenführer verzeichnet war: Eines Tages erschien bei der
Fürstin ein Bauer und ließ bescheiden fragen, ob er seinem Enkelkinde die
Urgroßmutter zeigen dürfe. Die Fürstin wußte auf diese Frage nichts zu
entgegnen und bat um nähere Erklärungen. Da fragte der Bauer, ob es gestattet
sei, das Schloß zu betreten und sich im Saal umzuschauen. Die Fürstin führte
den Bauern mit seinem Enkelkinde in die große Halle. Diese war bis vor wenigen
Jahren ein verräucherter und verschmutzter Stall gewesen; da hatte die Fürstin
ohne viel Federlesens ihre sämtlichen Mägde zusammengetrommelt und Decken und
Wände mit Seife, Sand und Soda abschrubben lassen. Und da kamen die alten
allegorischen Gemälde, die ein halbes Jahrhundert lieblos übertüncht gewesen
waren, wieder zum Vorschein: An den Wänden und Decken tummelten sich Zeus,
Apoll, Hera, Artemis und die übrigen Insassen des Olymps nebst Hunderten von
Putten. Der Bauer kniff die Äuglein zusammen und unterzog die mythologischen
Gestalten einer eingehenden Musterung. Die Fürstin stand schweigend daneben.
Die Putten erwiesen sich bei näherer Betrachtung als Bauernjungen. Alle Körper
waren ungeschlacht und klobig. Etwas Robustes ging von der nackten Gesellschaft
aus. Der Bauer nahm sein Enkelkind auf den Arm und zeigte mit dem Finger bald
an die Decke, bald an die Wand; achtmal entdeckte er die Urgroßmutter, die
teils mit Rosen dahinschwebte, teils die Füße badete, teils die aufgehende
Sonne bewunderte, teils Ambrosia schlürfte. Und die Erklärung? Der Maler der
Szenerie hatte seine sämtlichen Modelle aus dem Dorf bezogen. Und die
Urgroßmutter, damals eine schmucke Dirn, mußte für sämtliche Göttinnen
herhalten und war achtmal vertreten. Einmal als Aphrodite.
    Eva drängte heimwärts. Sie durfte nicht
zu lange bei ihrer Freundin Lisbeth bleiben.
    Die Hitze hatte sich gelegt. Der
Buchenwald war von schrägen Strahlen aus Altgold durchschnitten. Ameisenhügel,
Eichhörnchen, zwitschernde Vögel, ein Bach. Dann ein alter Mann, der Fallholz
gesammelt hatte und mürrisch seine Mütze zog.
    Sie schritten schweigend nebeneinander
her.
    Sie hatten sich wieder bei der Hand
gefaßt. Aber diesmal war es kein Versehen. Beide waren still geworden und
hingen ihren Gedanken nach. Es waren angenehme, wohlige Gedanken. Sie waren
ganz in der Gegenwart, nicht beschwert durch Zukunftspläne und Lebensfragen.
Zwei Kinder.
    Dann fragte Eva: „Sie sprechen so wenig
von Ihrem Zuhause?“
    „Das war sehr einsam“, erwiderte Hans.
    Und erzählte von dem väterlichen Gut
und dem alten Hauslehrer, von der Kindheit ohne Mutter und dem vereinsamten
Vater, von den Dorfkindern, mit denen er nicht spielen durfte, und wie er sich
freute, wenn die Kinder der benachbarten Güter zu ihm kamen, oder er zu ihnen
ging. Und was sie spielten, Indianer- und Eisenbahnüberfall, Räuber und
Gendarm, Seeschlacht auf dem Teich, aber auch gesittete Spiele: Drittenabschlagen,
Sacklaufen und
    Schlagball.
    Dann mußten sie einen Bach
überschreiten.
    Eva sagte kühl: „Bitte nicht helfen,
ich kann das allein.“
    Frauen sagen Nein, wenn sie Ja meinen,
Frauen sagen Ja, wenn sie Nein meinen. Frauen sagen Ja, wenn sie Ja meinen.
Frauen sagen Nein,

Weitere Kostenlose Bücher