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Die Feuerzangenbowle

Die Feuerzangenbowle

Titel: Die Feuerzangenbowle
Autoren: Heinrich Spoerl
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Panther. Und im selben Augenblick, wo wieder eins der Mädel den Mund durchs
Guckloch steckt, hat Hans von innen das gleiche getan — und fühlt zwei Lippen
auf den seinen.
    Herz, Kirsche oder Kuß?
    Am Abend dieses denkwürdigen Tages
schrieb Hans folgenden Brief:
    Liebste Marion, ich danke Dir für Deine
Briefe. Aber ich kann jetzt unter keinen Umständen zurückkommen. Hier ist es
herrlich. Ich habe auch noch viel zu lernen. Frau Windscheid gefällt mir immer
besser, und es ist auch sehr viel los hier. Heute habe ich den Sohn unseres
Direktors kennengelernt. Ein reizender Kerl, furchtbar lieb und drollig. Wir
werden uns vielleicht häufiger treffen.
    In Treue
    Dein Hans.
    Bei dem Wort „Treue“ streikte die
Feder. Aber es half ihr nichts.
     
    *
     
    Mit Hans Pfeiffer ging eine seltsame
Veränderung vor. Er wurde eitel.
    Seine Jünglingsanzüge von der Stange
waren ihm auf einmal nicht mehr gut genug. Er ließ in Babenberg neue Anzüge
machen; sie wurden nicht so wie von seinem Berliner Maßschneider, aber immerhin
menschenwürdig, und waren auch in den Ärmeln nicht zu kurz. Er kaufte sich eine
neue Schülermütze, eine in Luxusausführung, und verwandte geraume Zeit darauf,
in den Mützenrand die Kniffe zu bringen, die gerade in Mode waren. Er trug auch
wieder seine alte Schildpattbrille, rasierte sich zweimal am Tage, eine selbst
für einen Pennäler ungewöhnliche Maßnahme, und stand stundenlang vor dem
Spiegel, um mit harter Bürste und viel Pomade sein kurzgeschnittenes
störrisches Haar nach hinten zu legen. Er kaufte sich sogar einen
unternehmungslustigen Spazierstock, ein Bambusrohr mit einem Silberring. Mit
einem Wort, er wurde ein Dandy unter den Primanern. Der lange
Rosen verblaßte neben ihm.
    Dem mütterlichen Auge der Frau
Windscheid blieb diese Wandlung nicht verborgen. Sie war keineswegs erbaut
davon. „Das hat man nicht gern, wenn die Kinder plötzlich eitel werden. Der
meine fing auch so an.“
    Seine Klassengenossen staunten und
stießen sich heimlich in die Seite. „Aha“, tuschelten sie, „er nimmt langsam
Schliff bei uns an.“
    Auch sonst zeigte er allerhand
Anzeichen beginnender Kultur. Vor allen Dingen wurde er faul.
    Einmal widerfuhr es ihm, daß er sich
gut vorbereitet hatte. Und nicht dran kam. Darüber ärgerte er sich gewaltig und
beschloß, dafür zu sorgen, daß ihm das nicht noch einmal passierte. Ein anderes
Mal hatte er infolge eines katastrophalen Versehens eine erst für Mittwoch
fällige Übersetzung schon für Dienstag angefertigt. Als er das merkte, bekam er
einen Wutanfall und zerriß die Arbeit in kleine Stücke.
    Er entwickelte allmählich ein
ausgeklügeltes System der Faulheit. Hausarbeiten wurden grundsätzlich in den
Schulstunden hinter dem deckenden Rücken des Vordermannes erledigt, im Notfall
auch während der Pause an einem Ort, wo die Luft rein war. Wenn dann aus
irgendeinem Grund einmal eine spätere Stunde vorverlegt wurde, kam er trotzdem
nicht in Verlegenheit; dann nahm er seinen Farbkasten und beschmierte sich das
Gesicht grauenvoll mit Zinnober und ließ sich wegen Nasenblutens nach Hause
schicken. Klassenarbeiten schrieb er vom kleinen Luck ab und bekam häufig eine
bessere Note als Luck selbst, worüber er sich aber keineswegs wunderte. Als
Schriftsteller war ihm längst bekannt, daß ein Plagiat oft mehr einbringt als
das Original.
    Sein Ansehen in der Klasse stieg
gewaltig. Er war nicht mehr der Neue; er gehörte jetzt zu ihnen.
    Die kollektive Hausarbeit trat in den
Hintergrund. Wenn seine Mitarbeiter zu ihm kamen, war er meist schon
ausgeflogen oder stand gerade im Begriff und war nicht zu halten.
    „Wo willst du hin? Sollen wir zusammen
gehen?“
    „No, laßt nur —“
    „Ach sooo! — Dann viel Vergnügen.“
     
    *
     
    Wie schon erwähnt, führte Direktor
Knauer ein vorbildliches Familienleben. Dies vor allem am Sonntagnachmittag,
wenn er mit Gattin und Tochter ins Grüne pilgerte.
    Mitunter schloß Professor Crey sich an.
Einerseits, weil er als verdienstvoller Lehrer das nächste Anrecht auf diese
Auszeichnung hatte, sodann und hauptsächlich aber, weil Frau Direktor Knauer es
für richtig hielt.
    Professor Crey war sich dieser
Auszeichnung durchaus bewußt. Den Ernst der Angelegenheit betonte er durch einen
feierlichen Bratenrock und weiße Gamaschen, die gehobene Stimmung durch ein
keckes Filzhütchen mit übermütig aufgebogenem Rand, seine Naturliebe jedoch
durch eine angesteckte Nelke, deren Stiel hinter dem Knopfloch in einem
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