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Die Feuerzangenbowle

Die Feuerzangenbowle

Titel: Die Feuerzangenbowle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Spoerl
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Vortrag zu halten über den
gleicharmigen Häbcl. Aber das nützt ihm nichts. Unerbittlich zwingt ihn Eva
hinauf.
    Nachdem er sich scheu im Kreise
umgeblickt hat, ob nicht einer seiner Schöler in der Nähe ist und ihn bei
Ausübung dieser immerhin onwördigen Belostigung zu beobachten vermag, legt er
sein überlebensgroßes Taschentuch auf den Sitz und kraxelt behutsam auf die
Wippe. Wie eine Katze springt Eva auf das andere Ende. Schnauz wendet verschämt
den Blick beiseite und denkt: Mädchen sollten sech necht rettlings auf eine
Schaukel sätzen. Zo meiner Zeit wäre das necht möglich gewäsen. Er guckt aber
trotzdem. Eva hat die Wippe in Bewegung gebracht. Auf — ab. Auf — ab. Auf — ab.
Crey klammert sich mit Armen und Beinen an dem Balken fest und sieht aus wie
ein Sonntagsreiter auf galoppierendem Gaul. Und macht dem Mädchen verzweifelte
Zeichen, mit dem Wippen aufzuhören.
    Das hatte seinen besonderen Grund. Hans
Pfeiffer, sein Lieblingsschöler, ist aufgetaucht. Ob es reiner Zufall war, daß
Hans in dieser Gegend herumstrich, soll nicht untersucht werden. Es genügt die
Tatsache, daß er seinen Ordinarius bei einer höchst kindlichen Beschäftigung
und in heftigster Bewegung vorfand. Wäre Hans ein taktvoller Mensch gewesen,
hätte er weggeguckt oder nach Hasenart einen Haken geschlagen. Aber er war kein
taktvoller Mensch, sondern trudelte dicht an der Wippe vorbei und grüßte
zweimal. Das erstemal leise und andächtig zu Eva hinüber. Das zweitemal, indem
er die Mütze mit ironisch übertriebener Ehrerbietung bis zum Boden riß.
    Es ist möglich, daß Eva ein bißchen
errötete.
    Es ist aber sicher, daß Schnauz
bleicher wurde als zuvor.
    Eva ließ sich nichts merken, sondern
wippte letzt drauflos: wie wild. Auf — ab. Auf — ab. Auf — ab.
    Als Schnauz endlich begnadigt wurde,
war er ein gebrochener Mann. Und das Reagenzglas war ein gebrochenes Glas.
    Eve geleitete ihn zum Tisch zurück.
    „Aber Evchen, was hast du mit dem Herrn
Professor gemacht?“
    „Ich habe mich mit ihm beschäftigt,
Mama. Es war himmlisch!“
    Professor Crey schwieg. Er sagte
überhaupt nicht mehr viel an diesem Nachmittag. Aber er dachte sich sein Teil:
Wenn sä erst mal verheiratet est und fünf Kinder hat, weppt sä necht mehr.
    Auch beim Denken hatte er diese
Aussprache.
     
    *
     
    Am nächsten Morgen konnte Pfeiffer den
ersten Koalitionskrieg nicht. Er bekam eine „vier bis fünf“ und die übliche
Ansprache.
    Schnauz war ohnehin schlechter Laune.
Er hatte sich vorher gerade in der Untertertia geärgert. Als er dort
eingetreten war, hatte an der Tafel in monumentaler Größe das Wort „Schnauz“
gestanden. Darauf hatte er mitleidig den Kopf geschüttelt und den Primus
gefragt: „Schohmacher, was bedeutet däse Schreft?“
    „Das wissen wir nicht.“
    „Wär est das gewäsen?“
    „Das hat schon hier gestanden.“
    „Warom worde das necht abgewescht?“
    „Wir wußten doch nicht, ob das
vielleicht wichtig ist.“
    Jetzt mußte Pfeiffer unter der
schlechten Laune leiden. Der Schnauz tat etwas, was er sonst nie zu tun
pflegte, er wurde persönlich.
    „Pfeiffer, Sä werden emmer dömmer.“
    Die Klasse feixt.
    „Pfeiffer, Sä gähen zo viel spazieren.“
    „Das vielleicht weniger, Herr
Professor. Aber ich konnte gestern nicht arbeiten, ich hatte zu viel
geschaukelt. Hier ist die Bescheinigung von meiner Wirtin.“
    Schaukeln als Entschuldigung war
immerhin neu. Sogar für die Oberprima in Babenberg. Die Klasse hielt den Atem
an. Es kam aber nichts. Nicht einmal das obligate „Sä send albern“. Professor
Crey begab sich aufs Katheder und sagte eine Weile nichts. Er war offensichtlich
nicht in Form. Dann ließ er die Hefte aufschlagen und eine Stilübung über den
ersten Koalitionskrieg schreiben.
    Ein dumpfer Seufzer ging durch die
Klasse. Diese Art der Beschäftigung ist für den Schüler weniger angenehm als
für den Lehrer.
    Aber dann geschah etwas, was man bei
dem vorsichtigen Professor Crey sonst nicht gewohnt war: Er zog eine
großmächtige Zeitung aus der Tasche, verkroch sich dahinter und ließ seine
Jungens schreiben.
    Das wurde weidlich ausgenutzt. Die
Klasse wurde eine Arbeitsgemeinschaft. Hefte und Zettel kursierten durch die
Bänke. Der kleine Luck entwarf die Arbeit dreimal. Eine für Rudi Knebel, eine
für Hans Pfeiffer, und schließlich auch noch eine für sich selbst; aber mit
dieser kam er nicht mehr ganz zu Ende.
    Am Schluß der Stunde faltete Professor
Crey seine Zeitung zusammen und

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