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Die Feuerzangenbowle

Die Feuerzangenbowle

Titel: Die Feuerzangenbowle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Spoerl
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wenn sie Nein meinen. Verteufelt schwer, sich auszukennen.
    Junge Mädchen sind keine Frauen. Sie
sagen Ja, wenn sie Ja meinen, meinen gleichzeitig Nein, möchten das Nein
rückgängig machen, sagen Ja und meinen Nein. Wenigstens ungefähr so. Für einen
Primaner eine vertrackte Aufgabe, in Evas Seele zu lesen.
    Die Frau liebt aus Naturbestimmung.
Aber der Mann ist Dilettant. Ein Primaner ist Anfänger. Er will den Mund, er
will einen Kuß. Hans ist Primaner.
    Er schlägt Blindekuh vor. Schwört, ihr
nichts zu tun, und lehnt sie an einen Baum. Sie muß die Augen schließen. Sehr
behutsam streicht er mit seinem Zeigefinger über die Kontur ihrer Oberlippe.
    Weiter nichts?
    Nein, weiter nichts. Eva denkt
dasselbe. Sie rupft einen Grashalm ab und steckt ihn in den Mund. Sie hatte
sich schon darauf vorbereitet, ihm eine Backpfeife geben zu müssen. Eine feste,
wenn auch nicht gerade allzu feste.
    Und nun war nichts.
    Aber sie würden sich ja noch häufiger
treffen.
     
    *
     
    Als Schnauz am nächsten Morgen die
Klasse betrat, lagen auf seinem Pult etwa eineinhalb Zentner alte Zeitungen und
obendrauf ein Bohrer. Jetzt konnte er Löcher pieken. Die Schüler hatten alles
an Altpapier mitgebracht, was die Büchertaschen zu fassen vermochten. Nur der
kleine Luck hatte es vergessen. Einfach vergessen. Er war sehr betrübt darüber.
    Die übliche Frage: „Wär est das
gewäsen?“ Die übliche Antwort: Einstimmiges Schweigen.
    „Wenn sich der Öbeltäter nicht meldet,
stecke ich die ganze Klasse in Arrest.“
    Der lange Rosen erhebt sich: „Ich will
nichts gesagt haben, aber Luck hatte heute morgen eine merkwürdig geschwollene
Büchermappe.“
    Gert Tohe glaubt sich zu erinnern, daß
Luck ein Paket mitbrachte.
    Schrenk meint, die Lucks seien
überhaupt dafür bekannt, daß sie so viel Zeitungen
läsen.
    Luck steht auf, kreideweiß, bringt kein
Wort heraus.
    „Ackermann, schreiben Sä: Lock zwei
Stunden Arrest wägen Aufhäufens alter Zeitungen auf dem Polte.“
    Hans meldet sich. Er will den kleinen
Luck verteidigen. Ein einzelner Mensch könne doch so viel Papier gar nicht —

„Sätzen Sä sech.“
    Und gerade der kleine Luck sei doch —
    „Sätzen Sä sech.“
    Dieses Argument ist nicht zu
widerlegen. Ungerechterweise steht es aber nur dem Lehrer zu. Auf dem
Nachhausewege beklagt sich Luck bei Hans. Nicht über seine Mitschüler — das war
er gar nicht anders gewohnt. Aber über Professor Crey und dessen Ungerechtigkeit.
    „Das hätte ich ihm nicht zugetraut“,
meinte er. „Man wird dadurch verbittert.“
    „Abgehärtet, wollen wir sagen“,
entgegnete Hans. „Sieh mal, kleiner Luck, im Leben gibt es unendlich mehr
Ungerechtigkeit als Gerechtigkeit. Es ist gut, wenn man rechtzeitig daran
gewöhnt wird. Das ist vielleicht wichtiger als Latein und Mathematik.“
    „Ich tue es aber doch.“
    „Was?“
    „Das wirst du schon sehen. Morgen
früh.“
     
    *
     
    Unerwartetes Glück wird hundertfach
empfunden. Über einen unverhofften schulfreien Tag freut man sich mehr als über
einen kalendermäßiges Fest. Mehr beinahe als über die vorgeschriebenen Ferien.
    Ein unverhofft schulfreier Tag versetzt
die Schüler in einen wahren Glückstaumel.
    Hans hatte am Morgen vergeblich
gewartet. Luck kam ihn nicht abholen. Vielleicht war er krank. Durch das Warten
verspätete er sich und trabte zur Schule. Schutzmann Trommel rief ihm etwas
Tröstendes nach.
    Unterwegs strömten ihm bereits Schüler
aus anderen Klassen entgegen. Das Schultor ist umlagert. Hans drängt sich durch
die Schülermeute und entdeckt die Ursache:
    Am Schultor hängt ein großes Pappschild
mit der Aufschrift
     
    Wegen
baulicher Veränderung
    bleibt
die Schule heute
    geschlossen.
     
    Die Pennäler lesen, schreien Hurra und
stürmen davon.
    Auch die Lehrer lesen und schreien
Hurra — aber nur innerlich — und gehen beflügelten Schrittes wieder nach Hause.
Sie wundern sich zwar, daß sie von der baulichen Veränderung gar nichts gewußt
haben. Der Direktor hätte ihnen das vorher mitteilen können. Aber sie werden
versöhnt durch die Tatsache, daß man für die bauliche Veränderung einen so
herrlichen Sommertag ausgesucht hat.
    Die Oberprima ging nicht nach Hause.
Sie versammelte sich unter Hans Pfeiffers Führung zu einem gemeinschaftlichen
Ausflug. Sie war vollzählig beisammen. Nur der kleine Luck fehlte. In einer
nahegelegenen Kneipe stapelten sie ihre Schulmappen und Mützen zu einer großen
Pyramide auf und setzten sich in Marsch. Vornweg

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