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Die Feuerzangenbowle

Die Feuerzangenbowle

Titel: Die Feuerzangenbowle
Autoren: Heinrich Spoerl
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wassergefüllten
Reagenzglas stak. Diese Vorrichtung hatte er selbst ersonnen, und er war stolz
darauf, daß sie mehrfach nachgeahmt wurde.
    Auch Eva wurde dementsprechend
hergerichtet. Ihre lustigen Zöpfe verschwanden unter dem Hut. Die Handtasche
hatte ein ansehnliches Format. Auch ein Schirm durfte nicht fehlen. So sah sie
aus wie der leibhaftige Sonntagnachmittag.
    Crey und Direktor Knauer stiegen voran
und fachsimpelten. Oft geriet das Gespräch auf Hans Pfeiffer, und dann kamen
sie unwillkürlich in ein solches Marschtempo, daß der Frau Direktor die Puste
ausblieb. Darum hegte sie auf logischen Umwegen gegen besagten Primaner einen
geheimen Groll.
    Es ging die alte Stadtmauer entlang, am
Hexentor vorüber. Hier war der alte Teil der Stadt. Merkwürdige Häuschen, krumm
und wie von der Gicht verzogen, waren wie Schwalbennester an die Reste der
Stadtmauer angeklebt. Andere standen frei und selbstbewußt und hatten lange
Giebeldächer, die seitwärts verlängert waren und bis in Greifhöhe reichten. Die
Leute hatten sich in Anbetracht des Sonntags die Stühle herausgeholt und saßen
hemdärmelig auf der Straße.
    Dann den Leinpfad am Fluß entlang. Hier
treidelten einst Pferde die Lastkähne stromaufwärts. Jetzt war es eine
Promenade für festlich angezogene Bürger.
    Der Fluß war nicht sonderlich belebt.
Lange Schleppkähne lungerten verlassen am Ufer oder waren in Anbetracht des
Sonntags vor Anker gegangen. Rund zehntausend Zentner faßt so ein Fahrzeug,
stromabwärts Kohlen, Eisen, Getreide und Kalk befördernd, stromauf Petroleum,
Heringe, Fette und Düngemittel. Die kleinen Schifferkajüten am Heck sind grün
und weiß gestrichen. Auf den Wäscheleinen flattern vergnügt Bettücher und
Kinderhöschen. Der Schiffer sitzt in der Sonne und raucht; die Frau schält
Kartoffeln in abenteuerlichen Mengen. Das Kleine spielt und ist an einem langen
Strick angeseilt, damit es nicht über Bord geraten kann. Es sieht spaßig aus, ist
aber praktisch.
    Direktor Knauer hat kein Auge dafür.
Vor allen Dingen aber keine Zeit. Denn er muß fortwährend den Hut ziehen. Ein
jeder kennt ihn, und ein jeder freut sich, den angesehenen freundlichen Mann
grüßen zu dürfen. Sein Hut steht nicht still.
    Eva war heute nicht wie sonst. Sie
fühlte sich bedrückt durch den Sonntagshut, die Sonntagsfrisur, das
Sonntagskleid und die Sonntagshandtasche. Vor allen Dingen aber war es nicht
nach ihrem Geschmack, in dieser Aufmachung den Babenbergern im allgemeinen und
dem Professor Crey im besonderen vorgeführt zu werden. Aber Mama Knauer hielt
es für richtig.
    „Eva“, sagte sie, „du mußt dich mal ein
bißchen um den Herrn Professor kümmern. Dazu ist er ja schließlich
mitgekommen.“ Dann hakte sie ihren Mann ein. „Ernst, laß mal die Kinder
Vorgehen.“
    Die Kolonne wurde umgeformt. Die
„Kinder“ singen voran, Herr und Frau Knauer in wohlgemessenem Abstand
hinterdrein.
    Professor Crey schwimmt in Wonne. Er
ist galant und trägt beiden Damen die Mäntel, die Schirme und die Handtaschen.
Er würde alles tragen. Er schwitzt wie ein Lastesel und weiß es nicht.
    Eva ist nett zu ihm und bemüht sich,
ein Gespräch in Gang zu bringen.
    „Wie alt sind Sie eigentlich, Herr
Professor?“
    „Der Onterschied zwischen ons ist nicht
groß. Die Hauptsache ist, man fühlt ein junges Herz und nimmt rägen Anteil an
den Vergnügungen der Jugend.“
    „Dann kommen Sie auch sicher zum
Sommerfest vom Sport- und Schwimmverein?“
    „Em allgemeinen pfläge ich solche
Vergnügungen necht zo besochen. Aber wenn Sä hinkommen, darf ech bestemmt necht
fählen.“
    Eva biegt das Gespräch ab und plaudert
von ihren Schwimmkünsten und von dem Paddelboot, das sie sich schon seit zwei
Jahren vergeblich wünscht.
    In einer Sommerwirtschaft wird Kaffee
getrunken. Eva muß das Hausmütterchen machen, den Kaffee einschenken und die
Butterbrote auspacken. Inzwischen geraten die beiden Herren wieder ins
Fachsimpeln. Eva bekommt von der Frau Mama einen leisen Stoß in die Rippen.
„Kind, du wolltest dich doch mit dem Herrn Professor beschäftigen!“
    Eva nimmt einszweidrei den
steifbeinigen Mann bei der Hand und zerrt ihn hinter sich her:
    „Professor, kommen Sie mit!“
    Schnauz erwartet freudebang eine kleine
Promenade, bei der man sich vielleicht etwas aussprechen kann. Statt dessen
wird er von Eva zum Kinderspielplatz gelockt und soll mit ihr auf die Wippe.
    Kaum hat er das Schaukelinstrument
erblickt, als es ihn drängt, einen physikalischen
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