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Die Feuerzangenbowle

Die Feuerzangenbowle

Titel: Die Feuerzangenbowle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Spoerl
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drüben war, sprang Eva
leichtfüßig von ihm ab. Er war einigermaßen hinter Atem.
    „Eva, ich möchte dich so durchs Leben
tragen“, keuchte er.
    Das war etwas banal gesagt. Er fühlte
es selbst. Aber es war ihm verdammt ernst, und darum war ihm nichts Besseres
eingefallen. Und es war wirklich nicht nötig, daß Eva ihn mitleidig anlächelte
und die Backen tätschelte. „Ruh dich etwas aus, Hans“, sagte sie.
    War das eine Antwort auf sein
Anerbieten, sie durchs Leben zu tragen? Wer war er denn?
    Er dachte an eine Wette, die er damals
in Berlin verloren hatte. Er sollte für irgendein Magazin eine Abhandlung über
Hölderlin liefern und hatte spaßeshalber das Opus von einem ihm bekannten
Studenten der Tierarzneikunde zusammenschreiben lassen; es hatte ihm nachher
große Mühe gekostet, zu verhindern, daß das Zeug gedruckt wurde. Jetzt war es
genau umgekehrt mit ihm. Als Babenberger Pennäler hätte er einen Faust dichten,
er hätte wie Zarathustra reden können — er hätte nur ein mitleidiges Lächeln
erzielt.
    Es wurde immer wärmer, trotz des
nahenden Abends. Der feuchte Boden dampfte. Schwaden hingen zwischen den
Bäumen. Alles sah aus wie durch einen Gazeschleier betrachtet. Grünes Licht
hing in der Luft.
    „Eva, wir sind eben durch das Gewitter
unterbrochen worden. Wir sprachen von Johannes Pfeiffer, dem
,kleinen Mann’, wie du so geschmackvoll sagst. Hast du überhaupt schon
etwas von ihm gelesen?“
    „Vielleicht nicht alles. Aber ich kenne
von ihm ,Brot und Kunst’ und die ,Islandfischer’.“
    „Wie gefällt dir
,Brot und Kunst’?“
    „Das ist sehr geistreich und packend
geschrieben. Aber — man hat doch das Gefühl, da schreibt jemand vom Hunger, der
noch nicht selbst gehungert hat.“
    „Das ist ja auch nicht nötig, Eva. Wenn
ich zum Beispiel einmal über Napoleon schreibe, dann ist es nicht erforderlich,
daß ich schon einmal Kaiser war.“
    „Du möchtest wohl gerne Schriftsteller
werden?“
    „Vielleicht.“
    „Ach, Hans, mich geht es ja eigentlich
nichts an — aber ich weiß nicht —“
    „Natürlich weißt du nicht“, sagte Hans
barsch, „du kannst ja auch nicht wissen. Woher denn auch? — Und was hältst du
von dem ,Doppelten Buchhalter*?“
    „Du, der ist köstlich, wahnsinnig
komisch. Und nicht so unangenehm ironisch wie manche anderen Sachen von ihm,
,Blubb’ zum Beispiel oder ,Eheferien’. Weißt du, ich mag diese herablassende
Art nicht, über die Spießer zu witzeln. Das ist billig und ungerecht. Denn
Spießer muß es geben. Und wer auf Spießer schimpft, ist selber einer, sagt mein
Vater. — Ich will das nicht gerade von diesem Johannes Pfeiffer sagen. Aber ich
glaube, das ist doch noch ein ziemlich unfertiger Mensch, der noch nicht recht
weiß, was er will.“
    „Da könntest du recht haben“, sagte
Hans nachdenklich und etwas niedergeschlagen; „er ist ja auch noch ziemlich
jung. Aber ein ganz lieber Kerl im übrigen.“
    „Kennst du ihn persönlich?“
    Hans fühlte, in welch gefährliche Nähe
er das Gespräch getrieben hatte. Aber es reizte ihn.
    „Natürlich kenne ich ihn. Wir waren
viel zusammen in Berlin. Ich könnte dir allerlei von ihm erzählen. Auch
manches, was andere nicht von ihm wissen. — Weißt du, wie er aussieht?“
    „Wahrscheinlich gerade umgekehrt, als
man ihn sich vorstellt. Vielleicht klein und dick, mit Glatze, Frau und acht
Kindern.“
    Hans war tief beleidigt. „Er ist
natürlich nicht verheiratet. Auch nicht mehr verlobt. Er hat auch meines
Wissens keine Kinder. Und ein hübscher Mensch. Ziemlich groß und schlank, so
wie ich, vielleicht eine Kleinigkeit breiter. Haar dunkelblond, nach hinten
gekämmt —Es war höchste Zeit, abzubremsen, aber ihn ritt der Teufel. „Und
dunkle Brille, ähnlich wie ich. Und das Gesicht— also, wenn du es genau wissen
willst — sieh mich mal an, Eva.“ Er faßt sie bei den Händen und steht dicht vor
ihr.
    „Sieh mir ganz fest in die Augen. So!
Jetzt weißt du, wie er aussieht.“
    „Wieso?"
    „Genau so sieht er aus. Genau wie ich.
Eva! Sieh mal, Eva, ich kann dich doch nicht ewig belügen. Der Johannes
Pfeiffer bin ich!“
    Eva wußte nicht recht, ob sie lachen
sollte. „Ja, Eva. Und ,Brot und Kunst’ ist von mir,
und der ,Doppelte Buchhalter’ ist von mir, und ,Eheferien’ und ,Blubb’ und all
das andere. Und damit du es weißt, auch das Paddelboot ist von mir. Alles ist
von mir. So!“
    Er hatte es wild herausgesprudelt. Und
nun war es da.
    Eva sah ihn langsam und ernst an.

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