Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Feuerzangenbowle

Die Feuerzangenbowle

Titel: Die Feuerzangenbowle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Spoerl
Vom Netzwerk:
Brust.
    „Eva, ich könnte dich ja auch — — was
wollte ich noch sagen?“
    Noch nie hatte er diese Frage berührt.
Auch Eva nicht. Jetzt war eine Gelegenheit, alles zu verderben.
    „Ich meine, vielleicht könnte ich dich
dann mitnehmen.“
    Eva sah mit großen klaren Augen zu ihm
herauf.
    „Du bist ja verrückt“, sagte sie.
    War er verrückt? Er war zur Zeit
Primaner. Er hätte die Maske jetzt abwerfen können; aber das wollte er nicht.
Immerhin war er doch ein Primaner ganz besonderer Art. Bildete er sich ein. Das
müßte genügen.
    Er rupfte einen Halm aus und zerriß ihn
in kleine Stücke. Dann fragte er unvermittelt: „Was ist eigentlich mit dem
Professor Crey? Der verkehrt wohl viel bei euch?“
    „Den soll ich doch heiraten, Hans.“
    „Ja, und?“
    „Gar nichts. An so was denke ich noch
gar nicht. Ich bin doch noch ein kleines Schulmädel. Aber weißt du, Hans —.“
Sie hob ihren Kopf lebhaft in die Höhe: „Wenn ich später mal heiraten sollte —
man kann ja nie wissen — du, dann müßte es schon ein ganz Besonderer sein.
Einer, der mir richtig imponiert, und der zehnmal so klug ist wie ich. Meinst
du nicht auch?“
    Das meinte Hans auch. Richtig
imponieren — zehnmal so klug, dachte er, das kann sie haben.
    Und nun beging er prompt den Fehler,
der so oft in solchen Lagen gemacht wird: Er versuchte zu imponieren, zehnmal
so klug zu sein.
    Er wurde plötzlich gesprächig, machte
Konversation. Er fing an, sein universales Wissen auszubreiten, mit Witz und
Geist zu spritzen und seine Bildung zur Schau zu stellen. Er tat es sicher sehr
geschickt. Aber vielleicht nicht geschickt genug für die feinfühlende Eva.
    Von den allgemeinen Tagesfragen
ausgehend, drängte er schnell das Gespräch ins Historische, ging dann auf die
alte und neue Philosophie über und war auf dem Wege der modernen
Naturphilosophie, der Elektronen- und Quanten-Lehre.
    Bei Eva verfing das nicht. „Einstein
ist mir zu hoch“, erklärte sie offen. „Ich weiß, daß es auf der Welt vielleicht
ein Dutzend Mathematiker gibt, die bei Einstein mitreden können. Alle anderen
verrenken sich dabei den Verstand oder machen sich selbst was weis.“
    Hans fühlte die Abfuhr.
    „Vielleicht, liebe Eva, fehlt dir hier
etwa das naturwissenschaftliche Denken.“
    „Dafür haben wir ja Gott sei Dank den
Crey!“
    „Warum erwähnst du den Namen? Du weißt,
daß du mich damit ärgerst.“
    „Wenn ich das wüßte, würde ich ihn
häufiger erwähnen. Crey, Crey, Crey! — Oder hast du lieber, wenn ich Schnauz
sage?“, lenkte sie ein.
    Hans merkte, daß er nicht auf dem
richtigen Wege war. Er ließ eine kleine Atempause eintreten und spielte dann
das Gespräch geschickt auf die Literatur über. Das war vielleicht eher etwas
für kleine Mädchen. Und hier war er ganz besonders zu Hause. In seinem Eifer
hatte er gar nicht bemerkt, daß sich der Himmel bleigrau zugezogen hatte,
während im Westen ein schwefelgelber Lichtschein stand und alles mit einem
schrägen, unheimlichen Zwielicht umgab. Er achtete auch nicht darauf, daß
kurze, scharfe Windstöße in die Baumgipfel stießen und Zweige und Äste
herunterfegten.
    „Siehst du, Eva, was in der Musik der
Kontrapunkt ist, das ist im Drama und im Roman die Gegenhandlung. Bei Hamsuns ,Segen der Erde’ zum Beispiel — darüber ist übrigens
kürzlich eine sehr interessante kritische Schrift erschienen von — meinem
Namensvetter Johannes Pfeiffer. Du hast sie sicher gelesen?“
    „Ich kenne ,Segen der Erde’ und vieles andere. Aber die tausend Über-Bücher kenne ich nicht. Ich
mache mir auch nichts daraus. Es ist immer so, daß irgendein kleiner Mann sich
anmaßt, an einem großen herumzukorrigieren.“
    „Dann hältst du also diesen Johannes
Pfeiffer für einen kleinen Mann?“
    Das Gespräch wurde nicht zu Ende
geführt, denn inzwischen brach das Gewitter los. Es blitzte, und ein langes
dumpfes Rollen ging durch den Himmelsraum. Schon klatschten die ersten schweren
Tropfen.
    „Da ist ein Bauernhaus“, schrie Eva und
stürmte den Abhang hinunter, daß ihr die Röcke bis an die Hüften flogen. Hans
markierte zunächst den Gemächlichen und trottete langsam hinterdrein. Laufen
hätte ihm nicht erwachsen genug ausgesehen. Zehn Meter vor dem Bauernhaus — Eva
war schon in Sicherheit — tat es einen neuen Donnerschlag, und im gleichen
Augenblick prasselte schlagartig ein eiskalter Sturzregen auf ihn nieder. Jetzt
konnte Hans Pfeiffer Beine machen. Aber die zehn Meter bis zum

Weitere Kostenlose Bücher