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Die Feuerzangenbowle

Die Feuerzangenbowle

Titel: Die Feuerzangenbowle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Spoerl
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Baurat ist zum Bauen da. An sich
selbst kann er nicht bauen. Seine Arme waren übermäßig lang, seine Hände
trommelten ans Schienbein. Alte Männer werden infolge Vertrocknung immer
kürzer, die Knorpelscheiben der Wirbelsäule verschrumpfen. Aber dieArme
behalten ihre Länge, in den Armen sind keine Knorpelscheiben.
    Die Diagnose lautet: Im Physiksaal ist
das Holzwerk morsch, und der Geruch kommt von der Ausdünstung eines Pilzes mit
lateinischem Namen. Der Physiksaal muß von Grund auf renoviert werden.
    Später fand man beim Renovieren die
Stelle, wo der Hund begraben lag: eine schändliche Flasche. Aber man merkte
nichts. Und wenn man etwas gemerkt hätte, würde man sich gehütet haben, etwas
zu merken.
    Die bauliche Veränderung währte etliche
Wochen. In dieser Zeit mußten Physik und Chemie ausfallen. Die Mädels jubelten.
    Sie jubelten zu früh. Physik und Chemie
wurden durch Algebra und Grammatik ersetzt. Es war nicht auszuhalten.
    Aber Eva hatte eine Idee. Ob sie die
Idee ganz allein bekommen hat, oder ob der erfindungsreiche Hans Pfeiffer, der
immerhin wegen des Physiksaales ein verteufelt schlechtes Gewissen hatte, ihr
dabei ein bißchen geholfen hat, geht niemand etwas an. Jedenfalls wurde Eva bei
der Direktorin vorstellig: Physik sei auf keinen Fall zu entbehren. Physik sei
wahnsinnig wichtig. Alle hätten besonders Physik so entsetzlich gern. Leider
seien sie alle in Physik so weit zurück. Und sämtliche Eltern trügen sich mit
der Absicht, eine Beschwerde einzureichen, und wenn es nicht anders gehe — dann
könne man den Physikunterricht ja vielleicht im Physiksaal des Gymnasiums
abhalten, mit dem Gymnasium zusammen, nicht wahr?
    „Aber liebes Kind! Ich bin gewiß eine
modern denkende Frau. Aber — abgesehen von allem anderen, Ihr Herr Vater würde
mir ganz was anderes sagen.“
    Eva ging zu ihrem Vater.
    „Mit dem Lyzeum zusammen? Aber Eva! Und
ganz abgesehen davon — eure Direktorin wird den Deibel tun.“
    Man muß die Sache anders aufziehen,
dachte Eva und suchte nochmals die Direktorin auf: Sie habe mit ihrem Vater
gesprochen. Er sei ganz begeistert von der Idee und könne gar nicht begreifen,
daß die Frau Direktorin — „Aber Evchen, davon ist doch gar keine Rede. Wenn der
Herr Direktor gestattet, selbstverständlich mit Freuden.“
    Dann wieder zum Vater: Die Frau
Direktorin sei entzückt von dem Vorschlag und hoffe, daß er seinerseits keine
Schwierigkeiten machen werde.
    „Aber ganz im Gegenteil! Wenn ich ihr
damit dienlich sein kann —.“
     
    *
     
    Am Nachmittag dieses denkwürdigen
Übereinkommens zwischen Gymnasium und Lyzeum war Eva wieder einmal bei ihrer
zuverlässigen Freundin Lisbeth und Hans nicht zu Hause.
    Das war nichts Besonderes, denn sie
kamen so häufig zusammen, wie es nur eben möglich war. Hans hatte auch längst
seine Ohrfeige bekommen und einige tausend weitere verdient und nicht bekommen.
Auch dieser Nachmittag wäre nicht weiter bemerkenswert gewesen, wenn die beiden
Liebesleute dabei nicht in ein böses Unwetter geraten wären.
    Sie marschierten, wie so oft, über den
waldigen Hügelrücken, der sich an der Flußniederung entlangzog. Es war schon
seit vielen Tagen eine geradezu lähmende Hitze. Die Wiesen und Felder
schimmerten braun. Die Blätter hingen müde und schlaff an den Zweigen. Selbst
den Vögeln schien es zu warm zum Singen; sie ließen sich durch die eifrigen
Grillen vertreten.
    Auch die Luft schien völlig eingeschlafen.
Ein kleiner Dampfer mit großen Schleppkähnen kroch in der Ferne den Strom
herauf; kilometerlang hing die Rauchfahne über den Windungen des Flusses. Man
konnte weit schauen; die Luft schimmerte in einer verdächtigen Klarheit.
    Das war kein Wetter für große Märsche.
Hans und Eva ließen sich auf einem moosigen Abhang nieder. Eva hatte ihren
Wuschelkopf in Hans Pfeiffers Arm gelegt und versuchte zu träumen. Hans bemühte
sich, sie nicht zu stören, und vermied jede Bewegung. Er wagte kaum zu atmen.
    Aber Eva schlief nicht.
    „Hans, machst du Ostern dein Abitur?“
    „Natürlich. Warum meinst du?“
    „Kannst du nicht ein bißchen
durchfallen?“
    „Wenn ich mir tüchtig Mühe gebe.“
    „Bitte, Hans, gib dir tüchtig Mühe.“
    Hans fühlte schon seit einiger Zeit,
daß die sorgenfreie und zukunftslose Primanertändelei ausgetändelt war.
    Immer häufiger drängten seine Gedanken
vorwärts.
    „Du fürchtest wohl, daß ich dann
weggehe?“
    „Och“, sagte sie und drückte ihren Kopf
fester an seine

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