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Die Feuerzangenbowle

Die Feuerzangenbowle

Titel: Die Feuerzangenbowle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Spoerl
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„Was
ist mit dir los? Du bist heute unerträglich.“
    „Also, wenn du das nicht glaubst — Eva,
ich gebe dir mein Ehrenwort — ich schwöre dir —“
    „Schäm dich, Hans. Wenn du mich schon
veralbern willst, dann tue es bitte ohne Schwur und Ehrenwort.“
    Hans war puterrot geworden. „Ich habe
nicht die Absicht, mich mit dir weiter über dies Thema zu unterhalten. Ich
könnte dir ja morgen meine Papiere mitbringen.“
    „Wenn du willst.“
    „Du brauchst das nicht spöttisch zu
sagen. Natürlich, wenn ich will. Aber — ich will nicht. Hörst du, Eva, ich will
nicht. Ich denke gar nicht daran. Wenn du immer noch nicht merkst, wen du vor
dir hast, wenn du mich immer noch für einen kleinen, armseligen Primaner
hältst, dann —“
    „Dann?“
    „— dann geschieht dir ganz recht!“
    Das Gespräch war zu Ende.
    Hans sagte nichts mehr.
    Eva sagte nichts mehr.
    Sie trotteten nebeneinander her,
sorgsam in zwei Meter Abstand. Jeder blickte steif geradeaus, mit gepreßten
Lippen und geblähten Nasenflügeln.
    So gingen sie durch den Wald.
    Hans fühlte ein Kitzeln im Hals. Aber
er wagte nicht, sich zu räuspern, er fürchtete, man würde das als
Annäherungsversuch auslegen.
    Eva fror und hätte gern ihre Jacke
gehabt, die Hans trug. Aber sie hätte sich eher die Zunge abgebissen.
    Auf diese Weise kamen sie endlich dort
an, wo sie sich zu trennen pflegten. Die ersten Häuser von Babenberg waren in
Sicht. Vereinzelt brannten schon die Lichter.
    „Dann auf Wiedersehen.“
    „Auf Wiedersehen.“
    Sie gingen auseinander. Er nach rechts.
Sie nach links.
    Er hätte gern gesehen, ob sie sich nach
ihm umschaute. Aber er wagte nicht, den Kopf zu drehen.
    Eva ging es genau so.
     
    *
     
    Durch die glücklicherweise wenig
belebte Burgstraße nach Babenberg hinein ging ein junger Mann, der sich
einigermaßen auffallend benahm. Von Zeit zu Zeit blieb er stehen, schlug sich
mit der rechten Hand eine kräftige Backpfeife auf die linke Seite und mit der
linken Hand auf die rechte Seite. Dann nahm er seine Brille ab und wiederholte
die Prozedur mit vermehrter Kraft.
    Am liebsten hätte er sich auch noch in
die Hinterfront getreten, aber dabei stieß er auf technische Schwierigkeiten.
    Es schlug halb neun. Um acht Uhr fing
der Kommers an. Er hatte keine Zeit, sich zu Hause umzuziehen. Er kam ohnehin
schon in auffälliger Weise zu spät.
    Er setzte sich in Eilmarsch und
überlegte eine Ausrede. Gegenüber einem Magister ist das furchtbar leicht. Da
war es ein feststehender Katalog: Nasenbluten, Zahnschmerzen, Uhr
stehengeblieben, Fuß verstaucht und so weiter. Aber Kameraden sind verdammt hellhörig.
    Kurz vor neun Uhr kam er in der
„Schere“ an. Es war eine üble Fuhrmannskneipe, etwas hinter der Stadt. Aber vor
Magistern war sie sicher, und vor allen Dingen hatte sie ein verschwiegenes
Hinterstübchen mit Notausgang zum Flußufer.
    Hans ging durch den langen Gang, dann
links an der Küche vorbei, dann wieder geradeaus, hinter der Toilette rechts
herum, dann quer über den Hof, und dann war er da. Er hatte schon fast bis zur
Straße das Getöse der zu löblichem Tun versammelten Primaner gehört. In der kleinen
verräucherten Bude saßen sie nun großspurig hinter mannhaften Humpen und
qualmten mit Heroismus billige Fehlfarben. Sie empfingen ihn mit einem Regen
perfider Fragen. „Warst wohl angenehm verhindert?“
    „Ist es nett gewesen?“
    „War sie zärtlich?“
    „Laß ihn doch. Er ist ja noch gar nicht
bei Besinnung.“
    Hans wurde rot bis hinter die Ohren.
„Wie ein Primaner“, dachte er und kämpfte dagegen an. Dadurch wurde es noch
ärger.
    „Hans hat ein schlechtes Gewissen.“
    Er rappelt sich zusammen. „Dumme Bande,
seid doch nicht so neidisch. Ich garantiere, morgen hat jeder sein Mädel. Neben
sich auf der Bank. Jawohl, auf der Schulbank.“
    Er enthüllte das Geheimnis des
Gasangriffs und der zusammengelegten Physikstunde.
    In dichten Knäueln drängten sie sich um
ihn und lauschten mit angehaltenem Atem. Sie ließen das Bier abstehen und die
Zigaretten erkalten. Sie taten aus Genußsucht, als glaubten sie nicht daran,
und verlangten sämtliche kleinen und großen Ehren- und Bierwörter. Sie drohten
ihm Klassenkeile an, wenn er sie verkohle. Aber tiefinnerlich waren sie
überzeugt, daß alles seine Richtigkeit habe. Denn es war zu schön, um Flunkerei
zu sein.
    Hans konnte sich nicht enthalten, den
wahren Sachverhalt ein wenig umzufälschen. Er schilderte ihn so, als habe er
von Anbeginn an einen

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