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Die Feuerzangenbowle

Die Feuerzangenbowle

Titel: Die Feuerzangenbowle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Spoerl
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Englisch und manches andere. Aber das
Wertvollste, was Sie auf der Schule lernen können, ist Arbeiten. Darauf kommt
es im Leben an. Wenn ich unter meinen früheren Schülern Umschau halte — aus wem
ist was geworden? Nicht aus den Genialen — nein, aus den Arbeitern. Arbeiten
bewirkt den sozialen Aufstieg.“
    Hans fühlte sich getroffen. Als ob der
soziale Aufstieg unser höchstes Ziel wäre.
    „Mein Lieber, das Gymnasium ist eine
bürgerliche Institution und dient einem bürgerlichen Ideal. Wer als Diogenes in
der Tonne sitzt oder in seiner Dachkammer unsterbliche Verse für die Nachwelt
dichtet, der bedarf keines Reifezeugnisses.“
    Schade, daß diese klugen Worte vor
einer Korona gesprochen wurden, deren Sinn nach anderen Dingen stand.
    Endlich war es elf. Mit klopfenden
Pulsen stieg man hinunter in den Physiksaal.
    Nichts war zu sehen. Kein Zopf, kein
Lockenkopf, kein Rock, kein Garnichts.
    Vielleicht warten Sie schon unten im
Saal?
    Keineswegs. Sie warten nicht.
    Vielleicht kommen sie noch?
    Herein kommt der Schnauz. Hinter ihm
niemand. Er schließt die Tür.
    Aus. Hans hat geschwindelt.
    Unheimliche Stille im Saal. Man hört
Scharren und Zähneknirschen. Hans fühlt sich von hinten erdolcht.
    Da öffnet sich die Tür, der Direktor
erscheint, und hinter ihm, von der Direktorin geführt, ein Festzug junger Mädchen.
    Aaaaaah!
    Sie waren im Lyzeum formiert und zu
einer feierlichen Prozession zusammengestellt worden: damit sie keinen
Augenblick länger als erforderlich mit den Jungens zusammen seien.
    Der Festzug nähert sich. Mit gesenkten
Wimpern wandeln die Fräulein herein. Um den Arbeitstisch herum und in die
aufsteigenden Bänke. Voll überstürzter Ehrerbietung rücken die Jünglinge auf
die Seite.
    „Setzen!“
    Der Direktor ergreift das Wort und
bittet seine lieben Primaner, sich mit der unvermeidlichen Tatsache abzufinden.
Es handle sich um einen vorübergehenden Zustand von wenigen Wochen.
    Dann verschwindet er mit der
Direktorin.
    Es kann losgehen.
    Die jungen Damen hatten sich rasch an
die Situation gewöhnt, blickten vergnügt im Kreise umher und fühlten sich bald
wie zu Hause. Um so befangener war die Männerriege. Jeder einzelne Oberprimaner
hatte das Gefühl, daß sämtliche Mädchen mit nichts anderem beschäftigt seien
als mit seiner Frisur und mit seiner Nasenspitze. Es war nicht halb so lustig,
wie man es sich ausgemalt hatte. Wenigstens einstweilen.
    Der Schnauz schwamm in Seligkeit. Mit
langen, gewollt jugendlichen Schritten stelzte er vor der Klasse auf und nieder
und redete wie ein Buch. Er hatte sich ausgezeichnet präpariert und
apostrophierte ausschließlich die Damen. Seine Primaner waren Luft für ihn. Er
sprach lauter und vernehmlicher als sonst und erbaute sich am Tönen seines
nasalen Organs. Die Mädels erbauten sich gleichfalls.
    Das mußte der Schnauz auf die Dauer
merken. Er bat um Aufmerksamkeit. Verbindlich lächelnd. Väterlich mahnend. Und
schließlich richtig böse. Jedesmal erzielte er denselben Erfolg: verstärktes
Amüsement und Gekicher. Seine Autorität stand in Gefahr.
    „Meine Damen, Sä zwengen mech zo einer
geharneschten Maßrägel. Ech wärde Sä auseinander sätzen, damet das Geflöster
onter Ehnen aufhört.“
    Die Maßregel wurde befolgt. Unsere
Oberprima saß nun in bunter Reihe. Jeder hatte ein Mädel neben sich. Pfeiffer
natürlich seine Eva. Gegen ihren Willen. Nur für den kleinen Luck war keine
übriggeblieben. Er hatte es nicht anders erwartet.
    Die Umgruppierung half tatsächlich. Man
ließ den Schnauz in Ruhe. Die neugebackenen Banknachbarn blinzelten sich
verstohlen zu. Einige fanden Gefallen aneinander. Einige bedauerten beim
Platzwechsel, nicht genügend Obacht gegeben zu haben. Am meisten haderte der lange Rosen mit seinem Geschick. Er war neben seine
Schwester geraten. Rudi Knebel hatte sich zum strahlenden Kürbis
emporgeschwungen. Melworm betete inbrünstig zum Himmel seiner Sekte.
    Schnauz will das Aufleuchten einer
Selen-Zelle vorführen und macht das Zimmer dunkel.
    Selen hat ein Atomgewicht von 79,2.
Eine der seltsamsten Eigenschaften des Selen besteht darin, daß es seinen
Widerstand dem elektrischen Ström gegenüber ändert, sobald es belichtet wird.
Man kann auf diese Weise Lichtschwankungen umsetzen in elektrische Stromstöße.
Diesem Zweck dient die sogenannte Selen-Zelle, auf deren Wirkung die
Bildtelegraphie beruht. Hugh! Der große Schnauz hat gesprochen. Hehres
Schweigen im verdunkelten Saal.
    Ein Mädel quietscht.
    Der

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