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Die Fieberkurve

Die Fieberkurve

Titel: Die Fieberkurve Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Glauser
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Soll ich deinen Koffer packen? Wenn du am Nachmittag fährst, kannst du noch heimkommen zum Mittagessen. Ich mach' dir Bratwurst mit Härdöpfelsalat und es Zybelisüppli. Das hescht du ja gärn...«
    Studer brummte. Natürlich war er zufrieden mit diesem Menü. Aber es wurmte ihn, daß seine Frau ihn nicht ernst nahm. Darum hüllte er sich in Schweigen und verzog sich ins Schlafzimmer.
    »Guet Nacht, Vatti«, rief ihm Frau Studer nach.
    Auch noch Vatti!
    Die Filzpantoffeln flogen in zwei verschiedene Ecken. Und dann löschte Studer das Licht. Mochte die Frau sehen, wie sie in der Dunkelheit z'Schlag kam...

Kommissär Madelin macht sich unsichtbar
    Der Polizeidirektor war ein stiller Mann, der gar nicht nach einem Stubenhocker aussah. Seine Gesichtshaut war braun, weil er sommers und winters auf die Berge stieg. Daneben hatte er eine Hundezucht und war an diesem Morgen guter Laune: eine seiner Hündinnen, Mayfair III, hatte vier Junge geworfen. Studer mußte während einer Viertelstunde andächtig zuhören, was der Direktor über den Unterschied der verschiedenen Pedigrees zu erinnern hatte.
    Dann rückte der Wachtmeister mit seinem Hellsehermärli heraus.
    In jedem Staatsbetrieb gibt es wenigstens einen Mann, der gewissermaßen das Salz des ganzen Betriebes ist. Von ihm, der als Außenseiter gilt, wird keine allzu regelmäßige Arbeit verlangt; das Alltägliche, mit seinem Stumpfsinn, wird ihm ferngehalten – oder besser, er hält es sich selbst vom Leibe. Dieser Mann findet nur Verwendung – und darin liegt eben sein Wert – wenn etwas Außergewöhnliches zu tun ist. Dann wird er gebraucht, dann ist er unersetzlich. Wenn er in den flauen Zeiten herumlungert oder spazieren geht, drücken seine Vorgesetzten beide Augen zu, denn sie wissen, daß dieser Mann sich eines Tages als unersetzlich erweisen wird: er wird Mittel und Wege finden, eine verworrene Situation aufzudröseln, er wird es verstehen, einen andern Betrieb, der üppig und frech geworden ist, in den Senkel zu stellen, er wird – dieser Außenseiter – eine pressante Angelegenheit in zwei Stunden erledigen, mit der ein braver Bureauhengst in zwei Wochen nicht fertig würde.
    Wachtmeister Studer war das Salz der Berner Kantonspolizei. Das war wohl der eine Grund, der den Herrn Polizeidirektor dazu veranlaßte, gegen des Wachtmeisters Reisepläne nichts einzwenden. Der andere war auch nicht schwer zu erraten: Kommissär Gisler von der Stadtpolizei hatte vorgearbeitet. Einen Augenblick schien es Studer, als könne er die Gedanken lesen, die hinter seines Vorgesetzten Stirn träge dahinschlichen. ›Millionen!‹ lautete der eine Gedanke. Der andere: ›Der Studer spinnt ja einewäg. Findet er das Geld, so hab' ich den Ruhm. Findet er es nicht, so pensionieren wir den Mann.‹ Der Dritte: ›Ob der Studer hier faulenzt oder ob er Ferien nimmt und die Basler blamiert, bleibt sich gleich. Aber keinen Rappen Spesen!‹
    Und an diesen letzten Gedanken knüpfte Studer an, als er, nach Beendigung seines Exposés, also schloß:
    »Hier kann ich nichts mehr ausrichten. Den Pater hätt' ich zur Not zurückhalten können – aber dann hätt' ich ihn einsperren müssen. Und das hab' ich nicht gewollt.« Er wiederholte den Witz vom Vatikan, er wolle keinen Konflikt mit dem Papst. »Die andern kenn' ich nicht. Telephonisch kann ich keine Klarheit bekommen. Ich muß nach Paris – vielleicht weiter. Ich muß den Sekretär Koller finden und den Hellseherkorporal... Ihr wisset, Herr Direktor, daß man dies alles nur an Ort und Stelle aufklären kann. Ich weiß, wo die Millionen liegen – wenn wirklich Millionen vorhanden sind...«
    »Einerseits Millionen...«, sagte der hohe Vorgesetzte. Er gebrauchte gerne die Form: »einerseits-andererseits«. Und Studer grinste auf den Stockzähnen, weil er die vergeblichen Bemühungen seines Gegenübers sah, den zweiten Teil des Satzes zu finden. Endlich: »Andererseits die Basler Polizei... Wir wollen es den Baslern zeigen. Wir Berner!« Und er räusperte sich trocken.
    »Exakt, Herr Direktor! Die Basler, die einen Tätler schicken, statt eines Fahnders!«
    »Also Studer«, sagte der Direktor und stand auf. »Macht es gut. Ihr könnt reisen. Aber auf Eure Verantwortung. Gelingt's, so bekommt Ihr Eure Spesen zurück. Seid Ihr der Lackierte, so müßt Ihr halt den Spaß selber bezahlen... Einverstanden?«
    »Einverstanden!« Studer nickte. Der Vorschlag kam nicht unerwartet. Der Wachtmeister hatte in der Nacht berechnet, daß sein

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