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Die Fieberkurve

Die Fieberkurve

Titel: Die Fieberkurve Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Glauser
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Erspartes für die Reise grad langen würde.
    »Gut so«, sagte der Direktor und schob Studer sanft zur Tür. »Und wenn Ihr zufällig eine neue Hunderasse entdeckt – vielleicht haben die Kabylen Sennenhunde, – so bringt Ihr mir ein paar Junge mit. Aber mit Pedigree!«
    Marokkanische Sennenhunde! dachte Studer. Mit Stammbaum! Aber er widersprach nicht, sondern verabschiedete sich von dem hohen Vorgesetzten, der nach des Wachtmeisters bescheidener Ansicht ebenfalls ein wenig lätz gewickelt war...
    Studer hatte beschlossen, diesmal nicht bei Madelin zu wohnen. Er brauchte Ellbogenfreiheit. So stieg er in einem kleinen Hotel ab, das den poetischen Namen »Au Bouquet de Montmartre« führte. Es lag in der Nähe der Station Pigalle.
    Dann nahm er die Untergrundbahn, und wie immer, wenn er nach einiger Zeit den Geruch einatmete, der dort unten herrschte, diesen Geruch nach Staub, erhitztem Metall und Desinfektionsmittel, schlug ihm das Herz ein wenig schneller. Paris war stets etwas Abenteuerliches, auch wenn man wußte, daß man nichts von dem unternehmen würde, was gute Bürger unter Abenteuer verstanden.
    In der Police Judiciaire begrüßte Kommissär Madelin seinen Kollegen Studer mit »Hallo!« und »Wie geht's?« und »Durchgebrannt?«, schickte den Bureaudiener sogleich in das nahe Café, eine Flasche Vouvray holen – es war halb neun Uhr morgens – und erkundigte sich dann, was denn diese ganze Geschichte samt Telephon und Pariser Reise zu bedeuten habe.
    Studer mußte den ganzen Fall erzählen. Er tat dies mit einer so treuherzigen Diplomatie, daß Madelin gar nicht auf den Gedanken kam, sein Freund Studer verheimliche ihm irgend etwas. Der Berner Wachtmeister erzählte vom Pater Matthias, der durchgebrannt sei, von Marie Cleman, von den beiden alten Frauen, die den Gastod gefunden hatten – genau, wie es jener Hellseherkorporal prophezeit habe. Aber Studer verschwieg den Fund der Fieberkurve, verschwieg deren Entzifferung. Vorsicht, dachte er. Vorsicht! Sonst schnappen dir die Franzosen den Schatz vor der Nase weg.
    Madelin hörte zu, unterbrach hin und wieder mit Ausrufen wie: »Nicht möglich!« – im Tonfall des Spaßmachers Grock – und: »Was du nicht sagst!« Als Studer dann noch von dem mißglückten Überfall erzählte, dessen Opfer er fast geworden war, nickte Madelin beifällig mit seinem mageren Büßerschädel: »Allerhand, Stüdère! Die ruhige Schweiz! Was du nicht sagst! Vielleicht erhebt sie sich mit der Zeit auf ein internationales Niveau – kriminalistisch meine ich. Ansätze sind vorhanden!«
    Sehr gnädig, sehr spaßig, sehr freundschaftlich war der Divisionskommissär Madelin, den etwa ein Dutzend Inspektoren, die unter seiner Fuchtel standen, mit familiärem Respekt den »Patron« nannten. Denn er war eine Macht, der Kommissär Madelin, der lang und hager und grau einer Steinfigur an einem gotischen Domportal ähnelte – einer Steinfigur, die mit Vorliebe Vouvray trank...
    »Und was kann ich für dich tun?« fragte er. Studer dachte einen Augenblick nach. Es war ihm allerlei in den Sinn gekommen, aber dieses Allerlei ließ sich nur schwer in genaue Fragen zergliedern. In Bern hatte er noch im Zivilstandsregister nachgesehen, mehr aus Gewissenhaftigkeit als in der Hoffnung, etwas Neues zu finden. Die Eheschließung zwischen Cleman, Alois Victor, und Hornuss, Sophie, war regelrecht vermerkt worden. Der Geologe gab als Heimatgemeinde Frutigen an. Als dann Studer an die Gemeindekanzlei telephonierte, erfuhr er, Cleman habe sich 1905 eingekauft. Er habe belgische Papiere vorgewiesen.
    Von einem Bruder meldete Frutigen, sei nichts bekannt...
    »Was ich dich fragen wollte«, sagte Studer, »wie stehst du mit dem Kriegsministerium?«
    »Hm«, meinte Madelin, während er eine Zigarette rollte – und Studer bewunderte diese Fertigkeit. »Soso lala. Ich hab' ein paar Kameraden dort, die mich auf dem laufenden halten, wenn etwas los ist. Verstehst du? Politische Veränderungen haben wir genug, einmal bläst der Wind von links, dann wieder von rechts, einmal sollte man Marx auswendig lernen und die Royalisten verhaften, dann wieder die Kommunisten mit Gummiknütteln beaufsichtigen und in die Messe gehen. Zwischenhinein kommt der König der Schimpansen und anderer Gorillas nach Paris, man hat Scherereien mit ihm und mit seiner Suite... Man muß gedeckt sein... Verstehst du? Doch, doch. Ich stehe ganz gut mit dem Kriegsministerium!«
    »Es handelt sich«, erklärte Studer bedächtig, »um

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