Die Flamme erlischt
beide Messer, Als Jaan seine Adoleszenz erreichte, jenes Alter, in welchem er sich seine Wahlnamen aussuchen durfte und unter den Duellkodex fiel, war er den Spötteleien nicht mehr hilflos ausgesetzt.
Er war immer unbeliebt. Er war immer einer von der kritischen Sorte, müssen Sie wissen, einer, der unangenehme Fragen stellte und unorthodoxe Meinungen vertrat, ein Liebhaber der Geschichte, aber ein offener Religionsverächter, der viel zuviel ungesundes Interesse an jenen Außenweltlern zeigte, die sich bei uns aufhielten. Als solcher wurde er im ersten Jahr seines Duellalters immer wieder gefordert. Und immer gewann er. Als ich einige Jahre später meine Adoleszenz erreichte und wir zu teyn- und -teyn wurden, gab es kaum einen Gegner, der gegen mich kämpfen wollte. Jaantony hatte sie alle eingeschüchtert, und keiner wagte es, uns herauszufordern. Ich war fürchterlich enttäuscht. Seit damals standen wir oft im Duell zusammen. Wir sind bei unserem Leben aneinandergebunden und haben viel durchgemacht. Es kümmert mich nicht, wenn Sie das mit jener bedeutungslosen ›Liebe‹ vergleichen, von der ihr Außenweltler so verzaubert seid, mit diesem Spottmenschenbund, der mit dem Wind kommt und mit dem Wind geht. Selbst Jaantony wurde während seiner Jahre auf Avalon von dieser Vorstellung schwer korrumpiert. Bis zu einem gewissen Grad ist das auch meine Schuld, weil ich ihn allein gehen ließ. Obwohl ich dort völlig fehl am Platze gewesen wäre, hätte ich ihn begleiten sollen. In dieser Zeit habe ich Jaan im Stich gelassen. Aber das wird mir nicht noch einmal passieren. Ich bin sein teyn und werde sein teyn bleiben. Ich werde niemandem erlauben, ihn zu töten, ihn zu verwunden, ihn geistig zu verwirren oder seinen Namen in den Schmutz zu ziehen. Das gehört zu meinem Bund, das ist meine Pflicht.
Neuerdings läßt Jaan nicht selten seinen Namen von Leuten wie Ihnen oder Ruark bedrohen. Er ist auf manche Art ein querköpfiger, gefährlicher Mann, und seine Anwandlungen haben uns schon oft in Gefahr gebracht. Selbst seine Idole sind ... Eines Tages erinnerte ich mich an eine Geschichte, die er in unserer Kindheit erzählte, und schlagartig erkannte ich, daß Jaans Lieblingshelden allesamt Einzelgänger waren, deren Leben durch Niederlagen gekennzeichnet wurde. Aryn Hoch-Glühstein zum Beispiel, der eine ganze Geschichtsepoche hindurch eine dominierende Gestalt war. Durch die Stärke seiner Persönlichkeit herrschte er über den mächtigsten Festhalt, den es je auf Hoch Kavalaan gab, den Glühsteinberg. Als sich seine Feinde im Hochkrieg gegen ihn verbündeten und sich alle Hände gegen die Seinen erhoben, bewaffnete er seine eyn-kethi mit Schwertern und Schilden und führte sie in die Schlacht, um seine Armee zu verstärken. Seine Gegner wurden geschlagen und erniedrigt – so jedenfalls hörte ich die Geschichte von Jaan. Später erfuhr ich jedoch, daß Aryn Hoch-Glühstein keineswegs gesiegt hatte. Von den eyn-kethi seines Festhalts wurden so viele erschlagen, daß später nur noch wenige Krieger geboren werden konnten. Glühsteinberg verlor ständig an Macht und Einwohnern, und vierzig Jahre nach Aryns kühnem Schlag fielen die Glühsteiner. Die Hochleibeigenen aus Taal, Eisenjade und Bronzefaust bemächtigten sich ihrer Frauen und Kinder und ließen nur leere Hallen und Gänge zurück. In Wirklichkeit war Aryn Hoch-Glühstein ein Versager und Narr, eines der schwarzen Schafe der Geschichte – und aus diesem Holz sind Jaans verrückte Helden allesamt geschnitzt.«
»Für mich hören sich Aryns Taten heroisch genug an«, sagte Dirk hart. »Auf Avalon hält man ihm wahrscheinlich die Befreiung der Sklavinnen zugute, selbst wenn er nicht gewann.«
Janacek warf ihm einen bitterbösen Blick zu. Die Augen waren wie zwei blaue Funken in seinem schmalen Schädel. Ärgerlich zupfte er an seinem roten Bart.
»Genau vor Aussagen wie dieser habe ich Sie gewarnt, t'Larien. Eyn-kethi sind keine Sklavinnen, es sind eben eyn-kethi. Sie urteilen falsch, und Ihre Übersetzungen stimmen auch nicht.« »Das sagen Sie«, konterte Dirk. »Ruark meint ...« »Ruark!« Janacek sprach diesen Namen verächtlich aus. »Ist der Kimdissi etwa der Quell Ihrer Informationen über Hoch Kavalaan? Ich beginne zu begreifen, daß ich im Gespräch mit Ihnen Zeit und Worte verschwendet habe. Sie sind schon vergiftet und wollen überhaupt nichts verstehen. Sie sind Werkzeug der Manipulatoren von Kimdiss. Ich werde Ihnen nichts mehr
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