Die Flamme erlischt
Informationszentrum geben. Er untersuchte die Doppelreihe von Knöpfen unter dem Schirm, wählte einen aus und drückte ihn. Die Schwärze machte pastellblauem Licht Platz, und Dirk atmete auf. Wenigstens war die Anlage noch intakt.
Einer der Knöpfe trug ein Fragezeichen. Er betätigte ihn und wurde belohnt. Das blaue Licht hellte sich auf, und plötzlich erschienen viele kleine Schriftzeichen auf dem Schirm, hundert Nummern für hundert grundverschiedene Dienste. An alles war gedacht, von ärztlicher Hilfe und religiösem Beistand bis hin zu außerplanetarischen Nachrichten fehlte nichts.
Er drückte die Zeichenfolge für »Besuchertransport« ein. Daten und Schaubilder flossen über den Schirm, und Dirks Hoffnung schwand langsam dahin. Auf dem Raumhafen und in zehn der vierzehn Städte gab es Gleitervermietungen. Es hatte sie gegeben. Die noch funktionierenden Gleiter waren mit den letzten Besucherströmen von Worlorn verschwunden. Andere Städte hatten Hovercrafts und Tragflügelboote zur Verfügung gestellt – das war nun auch vorbei. In Musquel-am-Meer konnten Besucher in einem echten windgetriebenen Schiff von der Vergessenen Kolonie die Küste entlangsegeln: Dienst eingestellt. Die Intercity-Luftbuslinie hatte ihren Fahrplan gestrichen, die atomgetriebenen Stratoliner von Tober und die Heliumluftschiffe von Eshellin waren längst zerlegt und abtransportiert worden. Der Bildschirm zeigte ihm einen Plan der Hochgeschwindigkeitsbahnen, die vom Raumfeld aus unterirdisch in jede Stadt fuhren. Aber die Karte erschien in roter Farbe, und im Text darunter stand, was rote Farbe zu bedeuten hatte: »Außer Betrieb – nicht benutzbar«. Wie es schien, blieb ihm auf Worlorn kein Transportsystem außer seinen Beinen. Dazu kam nur das, was spätere Besucher mitgebracht hatten.
Dirk runzelte die Stirn und löschte die Schrift. Gerade wollte er den Schirm abschalten, da kam ihm noch ein Gedanke. Er drückte den Code für »Bibliothek«. Ein seltsames Zeichen erschien, Instruktionen folgten. Dann gab er die Begriffe »Puddingkinder« und »definieren« ein. Er wartete.
Die Wartezeit war nur kurz. Die Bibliothek überschüttete ihn geradezu mit Informationen über Geschichte, Geographie und Philosophie. Die gewünschten Informationen las er schnell, den Rest beachtete er nicht. »Puddingkinder« war, wie es schien, der gebräuchliche Spitzname für die Anhänger eines pseudoreligiösen Drogenkultes auf der Welt des Schwarzweinozeans. Man nannte sie so, weil sie jahrelang im höhlenreichen, feuchten Inneren von kilometerlangen Gelatineschnecken verbrachten, die mit unendlicher Langsamkeit über den Meeresgrund krochen. Die Kultisten nannten diese Kreaturen Mütter. Die »Mütter« fütterten ihre »Kinder« mit süßen, halluzinogenen Sekreten und wurden als halbintelligent angesehen. Der Glaube, so mußte Dirk feststellen, hielt die Puddingkinder aber nicht davon ab, ihren Wirt zu töten, wenn die Qualität seiner Traumsekrete nachzulassen begann – was unweigerlich geschah, wenn die Schnecken ein gewisses Alter erreichten. Danach suchten sich die Puddingkinder eine neue Mutter. Rasch ließ Dirk die Informationen vom Schirm verschwinden und nahm wieder die Bibliothek in Anspruch. Auch die Welt des Schwarzweinozeans hatte eine Stadt auf Worlorn gebaut. Sie lag unter einem künstlichen See, dessen Ufer fünfzig Kilometer lang waren, und der das gleiche dunkle Wasser enthielt, das in so reicher Fülle die Oberfläche der Heimatwelt bedeckte. Ihr Name war Stadt im Sternenlosen Teich, und der See war voller Lebensformen, die man anläßlich des Randfestivals hierhergebracht hatte. Zweifellos zählten auch Mütter dazu. Reine Neugier ließ Dirk die Stadt auf einer Karte Worlorns suchen. Er hatte natürlich keine Möglichkeit, dorthin zu kommen. Er löschte den Wandschirm und ging in die Küche, um sich ein Getränk zu mixen. Als er das Glas absetzte – es enthielt die dicke weiße Milch eines Kimdissitieres, sehr kalt, bitter, aber erfrischend –, trommelte er nervös mit den Fingern auf den Tisch. Seine Rastlosigkeit, der Drang, etwas zu tun, wuchs. Er war hier gefangen und mußte darauf warten, bis einer der anderen zurückkam. Wer das sein würde oder was dann geschah, wußte er nicht. Es war, als hätten ihn die anderen aus Lust und Laune hin und her geschoben seit dem Tag, an welchem er auf der Schaudern der Vergessenen Feinde angekommen war. Er war nicht einmal aus eigenem Willen gekommen, Gwen hatte ihn mit ihrem
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