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Die Flamme von Pharos

Die Flamme von Pharos

Titel: Die Flamme von Pharos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Peinkofer
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ebenso gut in den Fluss werfen können.«
    »Keineswegs, ich …« Sarah blickte beschämt zu Boden. Dass du Gard sie zum Erröten brachte, obwohl er viel mehr Anlass dazu gehabt hätte, wäre ein weiterer Grund gewesen, ihm die Leviten zu lesen. Aber die Aussicht, etwas von ihrem Vater zu erfahren, ließ Sarah ihre Empörung vergessen. »Hören Sie, mir ist klar, dass wir einen schlechten Anfang hatten«, sagte sie, »aber daran sind Sie nicht unschuldig. Sie haben mich da draußen vor das Publikum gezerrt und Dinge öffentlich gemacht, die niemanden etwas angehen.«
    »Dafür entschuldige ich mich«, antwortete du Gard zu ihrer Verblüffung. »Aber bisweilen ist der auffälligste Weg der unauffälligste, wenn Sie verstehen.«
    »Ehrlich gesagt, verstehe ich kein Wort.«
    »Mir war klar, dass meine Vorstellung Ihren Zorn erregen und Sie dazu bringen würde, mich hinter den Kulissen zu besuchen. Et alors – hier sind Sie, und wir können uns unbeobachtet unterhalten.«
    »Unbeobachtet? Von wem?«
    »Von den Leuten, die Ihnen möglicherweise auf den Fersen sind.«
    »Was für Leute?«
    »Das weiß ich nicht. Ihr Vater machte nur einige Andeutungen, als er hier war, aber es war deutlich zu erkennen, dass er sich vor etwas fürchtete.«
    »Vater und sich vor etwas fürchten?« Sarah lachte auf. »Sind Sie sicher, dass Sie von Gardiner Kincaid sprechen.«
    »Allerdings.«
    »Dann kennen Sie meinen Vater entweder nicht, oder Sie sollten sich eine neue Kristallkugel besorgen, du Gard – denn solange ich ihn kenne, hat mein Vater sich noch niemals vor etwas gefürchtet.«
    »Nun, vielleicht kennen Sie ihn ja nicht so gut, wie Sie denken«, wandte du Gard mit mattem Lächeln ein und traf damit unbewusst – oder in voller Absicht? – Sarahs verwundbarste Stelle.
    »Wie gut ich meinen Vater kenne, geht Sie nichts an, Monsieur«, beschied sie ihm steif. »Ich brauche mich deshalb vor Ihnen nicht zu rechtfertigen.«
    »Non, aber Sie sollten auf mich hören. Als Ihr Vater hier gewesen ist, machte er einen sehr gehetzten Eindruck.«
    »Wann soll das gewesen sein?«, fragte Sarah.
    »Vor etwa acht Wochen.«
    Sarah biss sich auf die Lippen – kurz zuvor hatte ihr Vater London verlassen. Was du Gard sagte, widersprach also zumindest nicht dem, was sie wusste …
    »Er sagte mir nicht, woran er arbeitete oder was ihn nach Paris verschlug, aber er verriet mir, dass Sie möglicherweise bald nachkommen würden. Und er bat mich, Ihnen das hier zu geben.«
    Du Gard griff nach einem Schlüssel, den er um den Hals hängen hatte, und öffnete damit die oberste Schublade seines Garderobentisches. Er griff hinein und beförderte ein kleines, würfelförmiges Paket hervor, das in Ölpapier gewickelt war.
    Verwundert nahm Sarah den Gegenstand in Empfang. Beinahe wäre er ihren Händen entglitten, da er sehr viel schwerer war, als sie aufgrund seiner Größe angenommen hatte.
    »Und sonst hat mein Vater nichts gesagt?«, erkundigte sie sich, während sie daran ging, das Paket zu öffnen.
    »Non. Tags darauf ist er mit unbekanntem Ziel abgereist.«
    »Und Sie haben seither nichts von ihm gehört?«
    »Non – ebenso wenig wie Sie, nehme ich an.«
    Sarah überhörte du Gards Sarkasmus und widmete ihre Aufmerksamkeit ganz dem Päckchen. Es knisterte, als sie das Ölpapier zurückschlug und entfernte, und endlich kam der Gegenstand zum Vorschein, den Gardiner Kincaid angeblich für sie deponiert hatte.
    Es war ein metallener Würfel, wie Sarah ihn noch nie zuvor zu Gesicht bekommen hatte.
    Die Kantenlänge mochte an die vier Inches betragen, das Material war Eisen, das von Rost überzogen war. Die Seiten des Würfels waren mit Gravuren versehen, die trotz der Korrosion noch gut zu erkennen waren; während Sarah den Gegenstand in ihrer Hand drehte, erkannte sie die fünf ersten Buchstaben des griechischen Alphabets, von denen jedes eine Seite des Würfels zierte. Die sechste Seite war mit einem Zeichen oder Symbol versehen, das Sarah nicht kannte: einer mit strahlenförmigen Ornamenten versehenen Ellipse, deren stilistischer Ursprung eindeutig nicht in Griechenland lag. Das Gewicht des Artefakts gab weitere Rätsel auf, denn der Kubus war zu leicht, um massiv zu sein, aber wiederum zu schwer für einen Hohlkörper.
    »Was ist das?«, flüsterte Sarah an sich selbst gewandt und ohne eine Antwort zu erwarten.
    »Je ne sais pas«, erwiderte du Gard kopfschüttelnd. »Wie ich schon sagte, schien Ihr Vater in großer Eile zu sein, deswegen hatte er

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