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Die Flamme von Pharos

Die Flamme von Pharos

Titel: Die Flamme von Pharos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Peinkofer
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Sie ließ sich unterhalten und folgte bereitwillig jedem Trick und jeder Manipulation du Gards – auch dann, als er sich zwei Freiwillige aus dem Publikum aussuchte (einer von ihnen der beleibte Herr, der Sarah im Foyer aufgefallen war) und sie unter Hypnoseeinfluss dazu brachte, den Cancan zu tanzen. Das Gelächter der Zuschauer ließ den Saal erbeben, und auch Sarah ertappte sich dabei, dass sie sich ausschütten wollte vor Lachen. Ihre Heiterkeit verschwand allerdings jäh, als du Gard ankündigte, nun das Meisterstück des Abends präsentieren zu wollen, wofür er eine Dame aus dem Publikum bräuchte – und sein Blick geradewegs auf Sarah fiel.
    »Die Dame in der ersten Reihe«, sagte er mit charmantem Lächeln. »Würden Sie zu mir auf die Bühne kommen?«
    »Ei-eigentlich nicht«, erwiderte Sarah, die sich unversehens im Mittelpunkt des Zuschauerinteresses sah. Der Bühnenscheinwerfer erfasste sie und riss sie aus der dunklen Anonymität.
    »Pourquoi?? Sie werden sich doch nicht vor mir fürchten? Keine Sorge, ma chère - der kleine Maurice ist ein artiger Junge. All die Zuschauer hier können das bezeugen …«
    Spontaner Beifall brandete auf. Das Publikum fraß du Gard inzwischen aus der Hand. Sich seinem Willen zu widersetzen wäre einer Ohrfeige gleichgekommen, also rang sich Sarah ein gequältes Lächeln ab und beschloss, gute Miene zum bösen Spiel zu machen.
    »Alors, das lobe ich mir. Applaus für meine mutige Freiwillige, Messieurdames. Applaus …«
    Unter dem tosenden Beifall der Zuschauer stieg Sarah die Stufen zur Bühne hinauf, wo sie von du Gard in seinem Glitzerhemd in Empfang genommen wurde. Aus der Nähe betrachtet, wirkte der Franzose noch um vieles unwirklicher, aber einmal mehr fiel Sarah auf, wie ernst seine Augen blickten, selbst dann, wenn er das Publikum zum Lachen brachte.
    »Bitte«, sagte er und deutete auf einen Samt beschlagenen Stuhl, der in der Mitte der Bühne stand. »Nehmen Sie Platz.«
    »Und dann?«, wollte Sarah wissen.
    »Du meine Güte.« Er grinste. »Sie sind misstrauisch.«
    »Besser misstrauisch, als das Tanzbein zu schwingen wie La Goulue 1 «, erwiderte Sarah schlagfertig.
    Du Gard blickte erstaunt drein und ließ ein lang gezogenes »Oooh« vernehmen, in das das Publikum mit einfiel. »Sollte mich hier jemand durchschaut haben?«, fragte er mit jungenhafter Unschuldsmiene. »Keine Angst, Mademoiselle. Ich versichere Ihnen, dass ich Ihnen weder Schmerz zufügen noch Sie zwingen werde, Ihre Beine zu zeigen – was allerdings sehr schade ist.«
    Sarah bedachte du Gard mit einem strafenden Blick, während ein neuerliches »Oooh« durch den Saal ging. Dann ließ sie sich widerstrebend auf den Stuhl nieder, sodass sie dem Publikum zugewandt saß. Du Gard trat hinter sie und hielt seine Hände flach über ihren Kopf, so dicht, dass er fast ihr Haar berührte.
    »Was ich nun tun werde«, kündigte er an, während erneut ein Trommelwirbel anschwoll, »grenzt an Zauberei. Es ist die höchste Weihe, die einem Vertreter meiner Kunst zuteil werden kann. Mesdames et Messieurs – ich werde nun versuchen, die Gedanken dieser jungen Frau zu lesen. Bitte verhalten Sie sich still, damit ich mich völlig konzentrieren kann …«
    Jegliches Geräusch im Zuschauerraum verstummte, nur der Trommelwirbel blieb bestehen, der du Gard eigenartigerweise nicht zu stören schien. Sarah konnte nicht sehen, welche Vorstellung der Franzose hinter ihr ablieferte, aber sie war überzeugt davon, dass er alle Register seines schauspielerischen Könnens zog.
    Sollte er.
    Es war wissenschaftlich erwiesen, dass es nicht möglich war, die Gedanken eines Menschen zu lesen, zu erahnen oder was auch immer. Du Gard, so lautete die enttäuschende Einsicht, war eben doch nichts weiter als ein windiger Betrüger, auch wenn er seine Lügen mit ungewöhnlich viel Charme verkaufte …
    »Ich empfange etwas«, verkündete er jetzt mit Effekt heischender Stimme, was Sarah nur ein müdes Lächeln entlockte. »Ich sehe es jetzt deutlich vor mir …«
    »Was?«, wollte Sarah ungeduldig wissen.
    »Finsternis …«, erwiderte du Gard leise.
    »Das wundert mich nicht weiter«, konterte Sarah trocken.
    »Sie haben die Finsternis hinter sich gelassen«, fuhr der Franzose unbeirrt fort. »Sie sind sich nicht im Klaren darüber, woher Sie kommen und wer Sie wirklich sind …«
    »Wer ist das schon?«, hielt Sarah dagegen, während sie gleichzeitig merkte, wie ihre Nackenhaare sich sträubten.
    War es tatsächlich

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